Cassus de Dijon Prinzip

Wirtschaftskommission des Nationalrates verlangt Abschaffung des „Cassis-de-Dijon-Prinzips“ für Lebensmittel


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Um einem Unterlaufen der hohen schweizerischen Qualitätsansprüche entgegenzuwirken, hat die Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK-N) einen entsprechenden Gesetzesentwurf gutgeheissen, der Lebensmittel aus der EU vom sog. „Cassis-de-Dijon-Prinzip“ ausnehmen soll. Damit würde für den Lebensmittelbereich eine Rückkehr zum alten System bewirkt, was den Import von Lebensmittel aus Europa und dem EWR-Raum erschweren würde. Aktuell befindet sich der Gesetzesentwurf in der Vernehmlassung.

Ausgangslage: Das „Cassis-de-Dijon-Prinzip“

Das „Cassis-de-Dijon-Prinzip“ wurde in der Schweiz am 1. Juli 2010 im Rahmen der Teilrevision des Bundesgesetzes über die technischen Handelshemnisse (THG) einseitig eingeführt. Als Teil der Wachstumspolitik des Bundesrates stellte diese Gesetzesänderung eine Massnahme dar, der  „Hochpreisinsel Schweiz“ entgegen zu wirken. Erreicht werden sollte dies mittels Intensivierung des Wettbewerbs durch eine Zugangserleichterung für Unternehmen aus der EU und dem EWR-Raum zum Schweizer Markt (vgl. BR-news vom 10. Mai 2010). Gemäss Art. 16a Abs. 1 THG können seit dann Produkte in der Schweiz in Verkehr gebracht werden, selbst wenn sie die schweizerischen Produktvorschriften nicht oder nicht vollständig erfüllen. Bedingung dafür ist, dass die Produkte in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR rechtmässig in Verkehr gebracht worden sind und nicht unter eine der in Art. 16a Abs. 2 THG aufgeführten Ausnahmen fallen. Um einer Inländerdiskriminierung entgegenzuwirken, sieht das Gesetz für Schweizer Hersteller die Möglichkeit vor, Produkte nach EU-Vorschriften zu produzieren und dennoch in der Schweiz als Schweizer Produkte in den Verkehr bringen zu dürfen.

Sonderregelung für Lebensmittel

Für Lebensmittel gilt eine Sonderregelung. Diese benötigen, sofern sie den schweizerischen technischen Vorschriften nicht entsprechen, beim Erstimport eine Bewilligung des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Diese Bewilligung wird in Form einer Allgemeinverfügung erteilt, vorausgesetzt, das betreffende Lebensmittel erfüllt die Anforderungen an die Produktinformationen und gefährdet nicht die Sicherheit und Gesundheit von Personen. Die Bewilligungspflicht dient also der Gewährleistung des schweizerischen Schutzniveaus.

Die parlamentarische Initiative

Am 17. Dezember 2010 wurde die parlamentarische Initiative „Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse. Lebensmittel vom Cassis-de-Dijon-Prinzip ausnehmen“ eingereicht. Sie verlangt den Ausschluss der Lebensmittel vom Geltungsbereich des „Cassis-de-Dijon-Prinzips“ mittels einer Änderung des THG. Man will das bestehende Sonderverfahren für Lebensmittel wieder abschaffen und zum alten System der generellen Einfuhrkontrollen zurückkehren. Eine Mehrheit der Wirtschaftskommission des Nationalrats (WAK-N) sieht Bedarf für eine Revision des THG im Sinne der Initiative. Eine Minderheit will am „Cassis-de-Dijon-Prinzip“ als Mittel zur Senkung des hohen Preisniveaus sowie der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz festhalten.

Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder begründet ihre Forderung nach einer Gesetzesänderung mit einer, ihrer Ansicht nach durch die Einführung des „Cassis-de-Dijon-Prinzips“ bewirkten Untergrabung der hohen Schweizer Qualitäts- und Produktionsstandards im Lebensmittelbereich.

Die Kommissionsminderheit hält dem entgegen, dass weder Gesundheits- noch Hygieneanforderungen durch das „Cassis-de-Dijon-Prinzip“ beeinträchtigt werden. Die Gewährleistung von Qualität und Gesundheit sei schliesslich durch das bestehende und funktionierende Bewilligungssystem sichergestellt.

Die von den Befürwortern der Initiative bemängelte Umgehung der Qualitätsstrategie der schweizerischen Landwirtschaft, wird, wie die Revisionsgegner betonen, mittels Verordnungsrecht unterbunden. Mit einer Anpassung der Verordnung über das Inverkehrbringen von Produkten nach ausländischen Vorschriften (VIPaV) will die Kommissionsminderheit auch die befürchtete Irreführung der Konsumentinnen und Konsumenten infolge Schweizer Produkte, die nach ausländischen Standards hergestellt wurden, verhindern. Nachdem sich die Wirtschaftskommissionen sowohl des National- als des Ständerats (WAK-S) dennoch für einen entsprechenden Gesetzesentwurf ausgesprochen hatten, beschloss die WAK-N am 20. Mai die Eröffnung der Vernehmlassung.

Studie des SECO

Im April 2013 veröffentlichte das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) eine Evaluation, welche sich mit den Auswirkungen des „Cassis-de-Dijon-Prinzips“ auseinandersetzt. Dabei hat das SECO festgestellt, dass die durch die Revision des THG geschaffenen neuen Bestimmungen einerseits dem Abbau bereits vorhandener, sowie der Vermeidung neuer technischer Handelshemmnisse dienen, ohne dabei das Schutzniveau zu beeinträchtigen. Andererseits konnte durch die Revision des THG insgesamt auch eine preissenkende Wirkung erzeugt werden. Ein messbarer Einfluss des „Cassis-de-Dijon-Prinzips“ auf die Preisentwicklung konnte dabei allerdings nicht festgestellt werden. Die Aussagekraft der Studie darf jedoch angezweifelt werden, da die Beurteilung der Preiswirkung des „Cassis-de-Dijon-Prinzips“ sowie der allgemeinen Entwicklungen in Folge der Einführung, angesichts des kurzen Beobachtungszeitraums und der Wechselkursentwicklungen, für das SECO schwierig war. Entsprechend sind die Revisionsgegner der Meinung, eine Revision sei verfrüht, mangels belastbarer Evaluation der Auswirkungen des Prinzips.

Ausblick: Auswirkungen der angestrebten Revision

Da der Ausschluss der Lebensmittel vom „Cassis-de-Dijon-Prinzip“ eine Rückkehr zum alten System wäre, stellen sich keine Fragen bezüglich der Vereinbarkeit mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz. Insbesondere werden auch die bilateralen Abkommen der Schweiz mit der EU nicht tangiert, da das „Cassis-de-Dijon-Prinzip“ von der Schweiz einseitig eingeführt und der Markt für in der EU bzw. im EWR rechtmässig in Verkehr gebrachte Produkte einseitig geöffnet wurde. Ein Ausschluss der Lebensmittel würde aber weitreichende Folgen für Produzenten, Händler und Konsumenten mit sich bringen. So hätte eine Einschränkung des „Cassis-de-Dijon-Prinzips“ beispielsweise zur Folge, dass Produzenten, die sowohl den europäischen wie auch den Schweizer Markt bedienen, wieder zwei separate Serien produzieren müssten, was für die betroffenen Unternehmen mit Mehrkosten verbunden wäre. Für die Konsumentinnen und Konsumenten könnte die Revision deshalb eine kleinere Produktauswahl und einen Rückgang zu hohen Preisen bedeuten.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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