Zugriff auf Daten im Konkurs: Bundesrat plant Neureglung des SchKG


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Der Bundesrat ist bestrebt, die Schweiz auf die digitale Zukunft vorzubereiten, wozu insbesondere Anpassungen der Rechtsordnung an die aufstrebende Blockchain und Distributed Ledger Technologie (DLT) gehören. Auf die Veröffentlichung eines umfassenden Berichts zu dieser Thematik im Dezember 2018 folgte am 22. März 2019 eine Vernehmlassungsvorlage mit dem Titel „Anpassung des Bundesrechts an Entwicklungen der Technik verteilter elektronischer Register“. Darin schlägt der Bundesrat die Anpassung verschiedener Gesetze vor, u.a. des Obligationenrechts, des Finanzmarktinfrastrukturrechts und des Finanzinstitutsgesetzes. Daneben soll insbesondere auch das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) angepasst werden, wobei die dort geplante Neureglung auch über den Bereich Blockchain/DLT hinauswirkt.

Übersicht zur SchKG-Revision

Die Anpassungen im SchKG betreffen zwei unterschiedliche Bereiche. Zum einen soll die seit längerem diskutierte Frage der Aussonderung und Admassierung von kryptobasierten Vermögenswerten im Konkurs eines sogenannten Wallet-Providers gesetzlich geregelt werden (Art. 242a VE-SchKG). Neben dieser rein Blockchain/DLT-relevanten Frage soll neu auch das Schicksal von Daten im Gewahrsam der Konkursmasse geklärt werden (Art. 242b VE-SchKG). Diese Neuregelung geht auf eine parlamentarische Initiative zurück, die einen besonderen Schutz von Daten im Konkurs verlangt hatte (vgl. die parlamentarische Initiative „Daten sind das höchste Gut privater Unternehmen. Datenherausgabe beim Konkurs von Providern regeln.“ vom 7. März 2017). Die Vernehmlassung dauert bis Ende Juni 2019.

Ausweitung des Aussonderungsrechts auf Daten

Anlass für die Ergänzung ist der Umstand, dass im geltenden SchKG ein Aussonderungsrecht lediglich für Sachen (im Sinne des Sachenrechts) vorgesehen ist (Art. 242 Abs. 1 SchKG), nicht dagegen für Daten. Zudem haben Daten in vielen Fällen keinen objektiven Vermögenswert, weshalb sie nicht pfändbar im Sinne des SchKG sind. Die Herausgabe solcher Daten ist im SchKG bisher nicht geregelt; es besteht folglich auch kein gesetzlicher Herausgabeanspruch, wenn die Konkursverwaltung die Herausgabe der Daten verweigert. Dies kann etwa zu Problemen führen, wenn Unternehmen Daten (z.B. die Kundenkartei oder die Buchhaltung) bei einem Cloud-Provider ablegen, auf die sie nach dessen Konkurs nicht mehr zugreifen können. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Norm (Art. 242b VE-SchKG) soll deshalb die rechtliche Grundlage schaffen, mit der sich berechtigte Dritte den Zugang zu ihren Daten verschaffen können.

Auch nicht vermögenswerte Daten erfasst

Um Abgrenzungsprobleme zu vermeiden, soll der Herausgabeanspruch – unabhängig der Pfändbarkeit – sämtliche Daten umfassen, über welche die Konkursmasse verfügt. Der Anspruch soll dabei sowohl körperliche als auch unkörperliche (digitale) Daten erfassen, ohne ein Eigentum an Daten zu begründen. Der wirtschaftliche Wert der Daten spielt keine Rolle. Damit werden auch Gegenstände oder Rechte erfasst, die mangels objektiven Vermögenswerts nicht verwertbar und pfändbar sind, wie zum Beispiel Zugangsdaten (Passwörter) oder die Buchhaltung eines Unternehmens.

Gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch erforderlich

Die Daten können nur an Dritte herausgegeben werden, die eine gesetzliche oder vertragliche Berechtigung an den Daten nachweisen können. Für die Herausgabe von Daten im Konkursfall ist insbesondere der Nachweis eines vertraglichen Anspruchs relevant. Der vertragliche Anspruch muss vor der Konkurseröffnung begründet worden sein, wobei eine explizite Erstreckung des Anspruchs über die Konkurseröffnung hinaus nicht erforderlich ist.

Denkbar sind auch Konstellationen, in denen der vertragliche Anspruch erst mit der Konkurseröffnung entsteht. Im Rahmen eines Lizenzvertrages können die Parteien etwa vereinbaren, dass der Source Code einer lizenzierten Software vor dem Konkurs für den Lizenznehmer nicht zugänglich ist, dieser mit Konkurseröffnung den entsprechenden Zugang jedoch erhält, damit er die Software auch in Zukunft benutzen und weiterentwickeln kann. Damit können die heute verbreiteten Escrow-Vereinbarungen für derartige Fälle ersetzt werden.

Dabei muss allerdings darauf geachtet werden, dass keine Benachteiligung der übrigen Konkursgläubiger stattfindet; der Datenzugang darf nicht zu einer ungerechtfertigten Entwertung der Konkursmasse führen. Vertraglich vorgesehene Gegenleistungen sind deshalb zu erbringen, damit der Zugang zu den Daten gewährt werden kann. Beanspruchen mehrere Gesuchsteller den Datenzugang, ist zu prüfen, ob dieser nicht allen zu gewähren ist. Der Anspruch muss ausserdem auch fällig sein; schliesslich ist die Konkursmasse berechtigt, sich bei gegebenen Voraussetzungen auf Art. 82 OR zu berufen und die Leistung vorläufig zu verweigern.

Keine Aufbewahrungs- oder Löschungspflicht für Daten im SchKG

Hinsichtlich der Aufbewahrung von Daten ändert die geplante Neuerung im SchKG nichts; sie schafft insbesondere keine neue Pflicht der Konkursverwaltung Daten im Konkurs aufzubewahren. Besteht nach geltendem Recht keine Aufbewahrungspflicht, dürfen die Daten nach wie vor vernichtet werden, womit auch der Anspruch auf Datenzugang untergeht.

Auch nicht von der Neureglung erfasst ist ein allfälliger Anspruch auf Löschung der Daten. Die Konkursverwaltung hat die entsprechenden Persönlichkeits- und Geheimhaltungsinteressen gestützt auf die allgemeinen Regeln (Art. 28 ZGB, Datenschutzgesetze) zu wahren.

Verfahren und Kostentragung

Das Verfahren zur Gewährung des Datenzugangs soll durch Gesuch eines Dritten an die Konkursverwaltung eingeleitet werden. Die Konkursverwaltung prüft die Voraussetzungen für den Herausgabeanspruch gemäss Art. 242 b Abs. 1 VE-SchKG. Sie entscheidet in der Folge, ob die Voraussetzungen erfüllt sind und dem Gesuch stattgegeben werden kann. Wird der Anspruch abgewiesen, muss der gesuchstellende Dritte innert einer Frist von 20 Tagen beim Richter am Konkursort Klage einreichen, wobei die Konkursverwaltung Daten bis zum Abschluss des Verfahrens verfügbar zu halten hat.

Schliesslich hält Art. 242b Abs. 3 VE-SchKG fest, dass der Gesuchsteller sämtliche Kosten, die mit einer Verschaffung des Datenzugangs verbunden sind, übernehmen muss.

Verhältnis zu den datenschutzrechtlichen Pflichten

Der Vollständigkeit halber wird zudem in Art. 242b Abs. 4 VE-SchKG festgehalten, dass der neue Anspruch auf Datenzugang allfällige, bereits nach geltendem Recht bestehenden Ansprüche nicht einschränken oder aufheben soll. Namentlich die in den verschiedenen Datenschutzgesetzen festgehaltene Pflicht zur kostenlosen Auskunftserteilung soll durch den neuen Anspruch nicht modifiziert werden.

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