Bitcoin Mehrwertssteuer

EuGH: Bitcoin-Exchanges mehrwertsteuerbefreit


Ihr Kontakt

Kryptowährungen und Block-Chain-Technology sind bekanntlich neue Buzzwörter der E-Economy. Vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) stand unlängst eine elementare Säule des Funktionierens der jungen und umstrittenen Internetwährung Bitcoin auf dem rechtlichen Prüfstand. Der Gerichtshof hatte in einem aus Schweden vorgelegten Vorabentscheidungsverfahren zu entscheiden, ob für den gewerblichen Kauf und Verkauf von Kryptogeld Mehrwertsteuer zu bezahlen ist. Wir nehmen dies zum Anlass, Kryptowährungen und diese Grundsatzfrage aus schweizerischer und österreichischer Sicht zu beleuchten.

Bitcoin und Bitcoin Exchanges

Von vielen virtuellen, kryptographischen «Währungen» ist Bitcoin jene, die bis heute die größte weltweite Verbreitung und somit den größten Erfolg für sich verbuchen konnte. Geld und Währung sind bedeutende Instrumente für das Funktionieren eines wirtschaftlichen Systems und gleichzeitig Spiegel unserer Zeit, in der Bitcoin ganz offensichtlich das Bedürfnis einer Komplementärwährung für die Verwendung im virtuellen Raum abdeckt. Dabei baut das Währungssurrogat auf einem dezentralen Peer-to-Peer System und im Wesentlichen auf einer Schöpfung von Werteinheiten in einem in sich geschlossenen Netzwerk der Nutzer auf. Folglich wird diese «Währung» von keiner zentralen Institution (wie etwa einer Zentral- oder Notenbank) ausgegeben oder verwaltet und deren Wert und Stabilität somit auch nicht garantiert. Letzteres ist eines der Hauptargumente vieler Bitcoin-Gegner.

Trotz des Wechselkursrisikos – Ende 2013 erreichte der Kurs von Bitcoin bereits mehr als 800 Euro, heute ist der Kurs ca. 70 Prozent darunter – entdecken mehr und mehr Konsumenten diese Komplementärwährung für sich. Die Vorteile liegen auf der Hand: eine Bitcoin-Transaktion ist potentiell schneller und günstiger als eine traditionelle Transaktion. Das hebt selbst die Europäische Zentralbank (EZB) in einem Bericht hervor. Die Transaktion kann direkt und ohne Intermediäre abgewickelt werden, lediglich die Bitcoin-Adresse des Gegenübers wird benötigt, ähnlich wie eine Kontonummer. Bei der Verwahrung wird an die Eigenverantwortlichkeit der User appelliert. Hier gibt es einfache und sichere Methoden über anerkannte Dienstleister (Wallet-Anbieter) oder das verschlüsselte Speichern am eigenen PC, USB-Stick oder Handy. Bei der Bezahlung verhalten sich Kryptowährungen im Grunde wie Bargeld: Bitcoin-Transaktionen sind nicht umkehrbar. Soll der Betrag zurückgezahlt werden, ist eine neue Transaktion erforderlich.

Mit stetig steigender Anerkennung und Beliebtheit wird Bitcoin weltweit von mehr und mehr Unternehmen als Zahlungsmittel für ihre Produkte und Dienstleistungen akzeptiert. In diesem Sinne wurden auch Österreich und die Schweiz von diesem Phänomen erfasst: Seit Längerem gibt es Bitcoin-Automaten in größeren Städten wie Graz und Wien, mit deren Hilfe sich zB Euro ganz einfach in Bitcoins umtauschen lassen.

So betreibt etwa das in Graz ansässige Start-up-Unternehmen Coinfinity GmbH (https://coinfinity.co) die ersten Bitcoin-Automaten Österreichs. Coinfinity bietet in nun 600 Verkaufsstellen in Österreich den Tausch von Bargeld gegen Bitcoin an. Die virtuelle Währung kann zu 25, 50 oder 100 Euro gewechselt werden. Kunden erhalten einen Papierbon mit Code, den sie auf der Website www.bitcoinbon.at einlösen können. Der Preis für die Komplementärwährung richtet sich nach Angebot und Nachfrage, wobei der Kurs zum Teil starken Schwankungen unterliegen kann.

Schwedischer Fall vor dem EuGH (bitcoin.se)

Ob nun für den gewerblichen Kauf und Verkauf von Kryptogeld Mehrwertsteuer zu bezahlen ist oder ein Ausnahmetatbestand der Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG (MWSt-RL) greift, ist eine Frage, die nun der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einem aus Schweden vorgelegten Vorabentscheidungsverfahren entscheiden musste. Damit stand eine elementare Säule des Funktionierens der jungen Internetwährung auf dem rechtlichen Prüfstand.

Nach der MWSt-RL unterliegen Lieferungen von Gegenständen sowie Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt bzw erbringt, der Mehrwertsteuer. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch unter anderem jene Umsätze von der Steuer befreien, die sich auf «Devisen, Banknoten und Münzen beziehen, die gesetzliches Zahlungsmittel sind«. David Hedqvist, schwedischer Staatsbürger und Betreiber der Exchange-Plattform www.bitcoin.se, erbringt auf seiner Plattform Dienstleistungen, die im Umtausch konventioneller Währungen in die virtuelle Währung «Bitcoin» und umgekehrt bestehen. Nutzer können diese Währung auf der Grundlage des aktuellen Wechselkurses kaufen und verkaufen.

Herr Hedqvist beantragte beim schwedischen Steuerrechtsausschuss einen Vorbescheid, um in Erfahrung zu bringen, ob beim An- und Verkauf von «Bitcoin»-Einheiten die schwedische Mehrwertsteuer zu entrichten ist. Nach Auffassung dieser Kommission sind «Bitcoins» ein Zahlungsmittel, das zum gleichen Zweck wie ein gesetzliches Zahlungsmittel verwendet wird. Die Umsätze des Herrn Hedqvist müssten daher im Bereich der MWSt-RL gesetzlichen Zahlungsmitteln gleichgestellt und von der Mehrwertsteuer befreit werden. Die schwedische Steuerbehörde bekämpfte allerdings den Bescheid der Steuerrechtskommission beim Obersten Verwaltungsgericht Schwedens. Sie machte geltend, dass die von Herrn Hedqvist geplanten Umsätze nicht unter die in der MWSt-RL vorgesehenen Steuerbefreiungen fielen. In Folge legte das Schwedische Oberste Verwaltungsgericht dem EuGH die Frage vor, ob solche Umsätze der Mehrwertsteuer unterliegen und, falls dies der Fall sein sollte, ob sie von dieser Steuer befreit sind.

Urteil des EuGH in der Rechtssache Hedqvist

Am 22. Oktober 2015 hat der EuGH nun in der Rechtssache Hedqvist (C-264/14) entschieden, dass der Umtausch konventioneller Währungen in Einheiten der virtuellen Währung «Bitcoin» von der Mehrwertsteuer befreit ist. Nach Auffassung des EuGH sind Umsätze in Form des Umtauschs konventioneller Währungen in Einheiten der virtuellen Währung Bitcoin (und umgekehrt) zwar Dienstleistungen gegen Entgelt im Sinne der MWSt-RL, weil sie im Umtausch verschiedener Zahlungsmittel bestehen und ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der von Herrn Hedqvist erbrachten Dienstleistung und dem von ihm erhaltenen Gegenwert besteht, d.h. der Spanne, die durch die Differenz zwischen dem Preis, zu dem er die Währungen ankauft, und dem Preis, zu dem er sie seinen Kunden verkauft, gebildet wird.

Diese Umsätze sind aber nach der Bestimmung der MWSt-RL, die sich auf Umsätze mit «Devisen, Banknoten und Münzen …, die gesetzliches Zahlungsmittel sind» bezieht, laut EuGH von der Mehrwertsteuer befreit. Die Ausnahmebestimmung würde nämlich – im Hinblick auf den Zweck der Steuerbefreiung, der darin besteht, die Schwierigkeiten zu beseitigen, die im Rahmen der Besteuerung von Finanzgeschäften bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage und der Höhe der abzugsfähigen Mehrwertsteuer auftreten – einen Teil ihrer Wirkungen verlieren, wenn Umsätze wie die von Bitcoin Tauschbörsen aus dem Anwendungsbereich der MWSt-RL ausgeschlossen würden.

Was bedeutet das Urteil für Bitcoin in Österreich?

Bitcoin erhebt den Anspruch, das Geldsystem mit einem neuartigen Peer-to-Peer-Netzwerk zu revolutionieren. Es existieren weder Zentralbank noch Emittent. Das Bitcoin-Netzwerk ist dezentral, technisch robust und bedient sich der Rechenkraft tausender Privatrechner. Bei Bitcoin-Transaktionen fallen kaum Gebühren an, was die «Währung» insbesondere im Micro-Business-Bereich attraktiv macht. Der Wert von Bitcoin liegt einerseits darin, dass Unternehmen Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren, andererseits, dass Tauschbörsen (Bitcoin Exchanges) Bitcoin gegen herkömmliche Währungen eintauschen. Dies ermöglicht, dass Bitcoin in der Wirtschaft von einer breiten Masse verwendet werden kann.

Trotz der hier einschlägigen MWSt-RL waren bislang die EU-Länder in der Frage der MWSt-Befreiung von Kryptogeld tief gespalten: Anders als die schwedische Steuerrechtskommission und der belgische «Föderale Öffentliche Dienst Finanzen», die jeweils eine MWSt-Befreiung vorsahen, haben etwa deutsche und österreichische Steuerbehörden bislang beim gewerblichen Handel mit virtuellen Währungen eine deutlich restriktivere Haltung eingenommen und keine Gründe für eine MWSt-Befreiung gesehen.

Die jüngste Entscheidung des EuGH stellt Kryptowährungen mehrwertsteuerrechtlich mit traditionellen Zahlungsmitteln gleich. Ausgesprochen euphorisch reagierten daher etwa die Geschäftsführer der österreichischen Coinfinity GmbH, Max Tertinegg und Stefan Kliment, auf die Klarstellung des EuGH. Tertinegg: «Mit dem […] EuGH-Urteil ist auch für Österreich klar: Bitcoin-Exchanges und daran anknüpfende Geschäftsmodelle unterliegen nicht der Mehrwertsteuer. Das Urteil ist ein Meilenstein, auch für die Verbreitung und Akzeptanz von virtuellen Währungen.» Kliment: «Das ist Wasser auf die Mühlen der Bitcoin-Befürworter. Gerade in den letzten Monaten konnten wir einen deutlichen Zuwachs an innovativen Business-Konzepten beobachten. Das […] Urteil wird nicht nur den Bitcoin-Sektor, sondern auch unseren Technologiestandort Graz und Österreich beflügeln

Beobachter sehen in der EuGH-Entscheidung Hedqvist einen wichtigen Schritt hin zu einer breiteren Akzeptanz der virtuellen Währung. Damit sind weitere Hürden genommen, dass Bitcoin mit erhöhter Rechtssicherheit wettbewerbsfähig bleibt und Grundlage für innovative Geschäftsmodelle sein kann. Die EuGH-Entscheidung hat dem Bitcoin Kurs im Übrigen prompt ein Plus von etwa 5% beschert.

….. und in der Schweiz?

Die Schweiz hat in letzter Zeit viele Startups und Investoren angezogen, die sich mit Kryptowährungen und der Block-Chain Technologie beschäftigen. Die pragmatische Haltung von Behörden und Politik gegenüber Kryptowährungen, insbesondere Bitcoin, schafft Rechtssicherheit und macht die Schweiz deshalb für viele Unternehmen attraktiv.

Die Eidgenössiche Steuerverwaltung (ESTV) hat bereits im Juni 2015 entschieden, dass Bitcoin-Transaktionen von der Mehrwertsteuer befreit sind. Die ESTV anerkennt demzufolge Bitcoin als Zahlungsmittel an, d.h. behandelt Bitcoin nicht etwa als Ware oder Dienstleistung. Zahlungsmittel sind mehrwertsteuerbefreit (Art. 21 Abs. 2 Ziff. 19 MWSTG).

Auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) defininiert Bitcoin als „virtuelle Währung“. Dies erfolgt nicht ganz uneigennützig. Letztlich ermöglicht diese Definition der FINMA Kryptowährungen resp. die Marktteilnehmer zu regulieren. Im Rahmen der Revision der Geldwäschereiverordnung sind künftig auch Transaktionen mit virtuellen Währungen vom Geltungsbereich der Geldwäschereigesetzgebung erfasst. Die Sorgfaltspflichten für die Übertragung von virtuellen Währungen werden denjenigen der Geld- und Wertübertragung gleichgestellt. Weiter sind Börsen, die virtuelle Währungen handeln, von den FINMA Regularien erfasst.

Letztlich dürfte eine Regulierung von virtuellen Währungen wünschenswert sein, um deren Hacker-Image zu überwinden. Schliesslich wird digitalen Währungen mit dem Einzug in einen Schweizer Gesetzestext erstmals eine Bedeutung zugemessen, die sich von der eines kurzlebigen Trends abhebt.

Weitere Informationen:


Artikel teilen



meistgelesen


Highlights

MLL Legal

MLL Legal ist eine der führenden Anwaltskanzleien in der Schweiz mit Büros in Zürich, Genf, Zug, Lausanne, London und Madrid. Wir beraten unsere Klienten in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts und zeichnen uns insbesondere durch unsere erstklassige Branchenexpertise in technisch-innovativen Spezialgebieten, aber auch in regulierten Branchen aus.

MLL Legal

 

Newsletter

MLL-News 03/22 mit Beiträgen zum Digital Markets Act, Digital Services Act, PBV-Revision, Abmahnungen zu Google Fonts, Inbox-Adverting und vieles mehr.

Zugang MLL-News 03/22

Jetzt anmelden!

Unsere Geschichte

MLL Legal ist eine führende Schweizer Anwaltskanzlei, deren Geschichte bis ins Jahr 1885 zurückreicht. Die Kanzlei ist sowohl organisch als auch durch strategische Fusionen gewachsen, von denen die Jüngste am 1. Juli 2021 zwischen Meyerlustenberger Lachenal und FRORIEP vollzogen wurde.

Durch diesen Zusammenschluss hat sich MLL Legal zu einer der grössten Wirtschaftskanzleien der Schweiz mit über 150 Anwältinnen und Anwälten in vier Büros in der Schweiz entwickelt. Auch zwei Büros im Ausland, in London und Madrid, bieten Anlaufstellen vor Ort für Klientinnen und Klienten, die Beratung im Schweizer Wirtschaftsrecht suchen.

Die Kanzlei verfügt heutzutage über ein starkes internationales Profil und ein langjährig aufgebautes globales Netzwerk. MLL Legal vereint anerkannte Führungsqualitäten und Fachwissen in allen Bereichen des Schweizer und internationalen Wirtschaftsrechts.

Über uns

Publikationen

Hier geht’s zu unseren neuesten Publikationen

COVID-19

Lesen Sie alle unsere rechtlichen Updates zu den Auswirkungen von COVID-19 für Unternehmen.

COVID-19 Information

Offene Stellen

Sind Sie auf der Suche nach einer neuen Herausforderung?

Unsere talentierten und ambitionierten Teams sind von einer gemeinsamen Vision motiviert, erfolgreich zu sein. Wir schätzen eine offene und unkomplizierte Kommunikation über alle Ebenen der Organisation hinweg in einem unterstützenden Arbeitsumfeld.

Offene Stellen

Real Estate Legal Update

Hier gehts zum Real Estate Legal Update 01/24. Unser Real Estate Team hat wiederum Artikel in verschiedenen Gebieten verfasst, so dass hoffentlich für alle etwas Interessantes dabei ist. Wir wünschen viel Spass bei der Lektüre.

Registrieren Sie sich hier, um unser 2 x jährlich erscheinendes Real Estate Legal Update zu erhalten.

Unser Team

Unsere über 150 Anwältinnen und Anwälte unterstützen Sie dabei, den regulatorischen und technologischen Anforderungen im modernen globalen Wirtschaftsleben erfolgreich zu begegnen und ihre wirtschaftlichen Chancen zu nutzen.

Unser Team

Revision DSG

Auf unserer Themenseite rund um die Revision des Schweizerischen Datenschutzgesetzes finden Sie regelmässig aktualisierte und umfassende Informationen und Hilfsmittel. Es ist uns ein Anliegen, Sie bei der Implementierung der neuen Vorgaben zu unterstützen.

Revision DSG Themenseite

MLL Legal on Social Media

Folgen Sie uns auf LinkedIn.