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Der Bundesrat hat am 18. November 2015 Adrian Lobsiger zum neuen Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) gewählt. Bevor der Nachfolger von Hanspeter Thür sein Amt – voraussichtlich im Verlaufe der ersten Jahreshälfte 2016 – antritt, muss die Wahl noch durch die Bundesversammlung bestätigt werden. Die Wahl wird von Parlamentariern und Wirtschaftsverbänden zunehmend kritisch beurteilt.
Zu grosser Rollenwechsel für Adrian Lobsiger?
Hanspeter Thürs designierter Nachfolger Adrian Lobsinger ist promovierter Rechtsanwalt und stellvertretender Direktor des Bundesamts für Polizei (fedpol). Seit seinem Eintritt in die Bundesverwaltung 1992 war er mehrheitlich in öffentlichen Ämtern beschäftigt.
Im Gegensatz zu seinen Vorgängern kommt der designierte oberste Datenschützer damit aus der Verwaltung und nicht aus der Politik oder Privatwirtschaft. Dies stösst im Parlament sowohl von links als auch von rechts zunehmend auf Kritik. Während linke Parlamentarier die Wahl eines Polizeikaders zum Datenschützer als fragwürdig und widersprüchlich erachten, äussern bürgerliche Politiker eher Bedenken bezüglich Lobsigers mangelnder Wirtschaftserfahrung. Vor allem von rechts wurde denn auch betont, dass ein Datenschutzbeauftragter wünschenswert sei, der die Bedeutung des Datenschutzes für die Wirtschaft verstehe.
Ob dies durch einen ehemaligen Direktor des Bundesamtes für Polizei gewährleistet werden kann, ist in der Tat fraglich. Der Rollenwechsel von der Polizeiarbeit zum Datenschutz würde nicht einfach fallen. Bei der Polizei- und Strafverfolgungsarbeit wird der Datenschutz häufig als Hindernis betrachtet. Zudem haben die Strafverfolgungsbehörden – und leider auch der Gesetzgeber – immer mehr die Tendenz, Privatunternehmen in die Polizeiarbeit zu involvieren, indem diese – auf eigene Kosten – zur Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden in die Pflicht genommen werden. Privatunternehmen werden immer häufiger eingespannt, um Daten zu erheben. Dies zeigt sich z.B. bei den Arbeiten im Zusammenhang mit der Revision des Bundesgesetzes über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF). Lobsiger hätte bei den Beratungen zu solchen Revisionsverfahren, aber auch bei Vernehmlassungen zu anderen Gesetzgebungsarbeiten mit datenschutzrechtlich-relevanten Fragestellungen als oberster Datenschützer einen substanziellen Einfluss.
Der EDÖB muss auch gegenüber der Verwaltung unabhängig sein
Aufgrund des grossen Einflusses des EDÖB bei datenschutz-relevanten Fragestellungen, ist seine Unabhängigkeit besonders wichtig. Aufgrund seiner praktisch ausschliesslich öffentlichen Karriere ist es mehr als fraglich, ob Lobsiger dieses Kriterium gegenüber der Verwaltung erfüllt. Schliesslich muss der EDÖB auch die Einhaltung des Datenschutzgesetzes durch öffentliche Stellen prüfen und durchsetzen.
In diesem Punkt lässt es aufhorchen und ist es besonders störend, wenn Lobsiger gerade auch wegen dieser Laufbahn in öffentlichen Ämtern gewählt worden sei, während die fehlende Verwaltungserfahrung bei anderen Bewerbern als massgeblich für die Nicht-Wahl erachtet wurde. Es ist gefährlich, wenn ein Staat, in dem die Verwaltung – aus liberaler Sicht leider – immer mehr an Bedeutung gewinnt, bei der Besetzung von Topstellen wie das Gesellschaftsspiel „Reise nach Rom“ funktioniert und die hohen Verwaltungsangestellten einfach von einem Stuhl – sprich einer Topstelle – zur nächsten Wechseln. Dies führt zu unerwünschter Behördenloyalität, tendenziell eingeschränkten Sichtweisen und aufgrund des reduzierten Wettbewerbs zu einem tieferen Qualitätsniveau.
Die Bedenken hinsichtlich Lobsigers Unabhängigkeit teilt der Bundesrat leider nicht. Ein Sprecher der Bundeskanzlei äusserte sich gegenüber der „Rundschau“ im Namen des Bundesrats zuversichtlich, dass der neue EDÖB die politischen Prozesse auf Bundesebene und der Bundesverwaltung kenne. Dies kann jedoch nicht das entscheidende Kriterium sein.
Adrian Lobsiger selbst hat sich bis jetzt zum Thema nicht geäussert, was er dem SRF zufolge auch nicht vor der Bestätigung seiner Wahl durch die Bundesversammlung tun wolle. Die Abstimmung durch die Bundesversammlung wird voraussichtlich im März 2016 stattfinden.
UPDATE vom 16. März 2016:
Am 16. März 2016 ist Adrian Lobsiger erwartungsgemäss durch die Vereinigte Bundesversammlung zum neuen eidgenössische Datenschützer gewählt worden.
Weitere Informationen:
- Medienmitteilung des Bundesrats vom 18.11.2015
- BR-News vom 29. Juli 2015: 22. Tätigkeitsbericht des Eidg. Datenschutzbeauftragten (EDÖB)
- BR-News vom 8. Oktober 2015: EuGH erklärt Safe Harbor-Regelung mit USA für ungültig
- BR-News vom 28.Oktober 2015: Update: Safe Harbor ist auch in der Schweiz nicht mehr ausreichend – zusätzliche Massnahmen notwendig.
- Newsmeldung des SRF: Datenschützer: Massive Kritik am Vorschlag des Bundesrats
- Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG)
- Botschaft zum DSG – SR 880.32
- Eidgenössischer Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragter (EDÖB)
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann und Michael Reinle