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Eddy Barea hat Anspruch gegenüber seinem früheren Arbeitgeber auf Lohnnachzahlung von rund CHF 29‘000.- wegen einer unverhältnismässigen Sanktionierung durch den Fussballclub sowie auf eine Genugtuungssumme von CHF 15‘000.- wegen Persönlichkeitsverletzung durch seinen damaligen Trainer. Das Schweizerische Bundesgericht bestätigte kürzlich den entsprechenden Entscheid des Neuenburger Kantonsgerichts.
Im Juli 2005 schloss Barea einen Arbeitsvertrag für die Saison 2005/2006 mit dem Fussballclub Neuenburg Xamax („Xamax“). Der Arbeitsvertrag sah den Einsatz des Spielers im Profi-Team des Clubs für einen fixen Monatslohn von CHF 6‘000.- brutto zuzüglich Prämien und Spesen vor. Am 19. Februar 2006 spielte Xamax gegen den Grasshoppers Club Zürich („GC“). In der Halbzeitpause dieses Spiels widersetzte sich Barea, als Captain der Neuenburger Mannschaft, einer Spielanweisung seines damaligen Trainers Miroslav Blazevic: Dieser forderte die Mannschaft auf, bei Freistössen des gegnerischen Clubs stets die Abseitsfalle zu stellen. Barea begründete seine Weigerung damit, dass die Abseits-Taktik gegen GC zu riskant gewesen wäre und er die Verantwortung dafür nicht tragen wollte.
Die Weigerung von Barea führte dazu, dass er vom Trainer sofort aus dem Spiel genommen und durch einen anderen Spieler ersetzt wurde. Der Trainer kündigte zudem öffentlich an, dass Barea unter ihm keine Fussballspiele mehr bestreiten und nicht mehr mit der ersten Mannschaft trainieren werde. Im Anschluss an das Spiel, welches 2:2 unentschieden endete, bezeichnete der Trainer Barea in der Presse als „Idioten“ und „Verräter“. Für diese Aussagen wurde der Trainer mit einer Busse von CHF 300 bestraft.
Rund einen Monat nach der Verbalattacke des Trainers und dem Ausschluss aus der ersten Mannschaft kündigte Barea seinen Vertrag mit dem Fussballklub fristlos und verlangte von diesem eine Entschädigung von insgesamt rund CHF 88’600 zzgl. Zinsen (ca. CHF 39’600.- Lohnnachzahlung bis Ende der Saison 2005/2006 sowie eine Genugtuungssumme von rund CHF 49’000.-). Das Kantonsgericht Neuenburg, welches sich im Dezember 2010 mit dem Fall auseinandersetzte, gab dem ehemaligen Xamax-Spieler Recht. Es reduzierte indes seine Ansprüche auf rund CHF 44‘000.- zzgl. Zinsen (ca. CHF 29‘000.- Lohnnachzahlung sowie CHF 15‘000.- Genugtuung). Diesen Entscheid des obersten kantonalen Gerichts focht Xamax beim Schweizerischen Bundesgericht an.
Das Bundesgericht prüfte in seinem Entscheid vom 28. April 2011 (4A_53/2011), ob der Spieler nach Schweizer Arbeitsrecht berechtigterweise fristlos kündigte. Eine fristlose Kündigung ist nach Art. 337 OR nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes gerechtfertigt. Als wichtiger Grund gilt insbesondere jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein dem Kündigenden nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf (Art. 337 Abs. 2 OR). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts muss eine ausserordentlich schwere Verletzung vertraglicher Pflichten vorliegen, damit die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses als unzumutbar erscheint. Es war somit zu prüfen, ob die unwiderrufliche Verbannung Bareas aus dem Profi-Kader von Xamax eine verhältnismässige und berechtigte Disziplarmassnahme des Fussballclubs war.
Xamax begründete den Ausschluss aus dem Profi-Kader (und folglich auch aus den Trainingseinheiten mit dem Profi-Team) damit, dass sich Barea vor der gesamten Mannschaft geweigert hatte, eine Spielanweisung des Trainers umzusetzen. Die arbeitsvertragliche Weigerung, eine Anweisung des Vorgesetzten zu befolgen, wog umso schwerer, als er der Captain der Mannschaft war. Gemäss Bundesgericht stellt ein Arbeitsvertrag jedoch ein Dauerschuldverhältnis dar, bei dem das Verhalten des Arbeitnehmers während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen ist. Die Schwere eines allenfalls vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers ist deshalb nicht isoliert zu betrachten, sondern jeweils im Kontext der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beurteilen.
Gemäss den sachverhaltlichen Feststellungen war Barea insgesamt mehr als fünf Jahre für Xamax im Einsatz. Seine Weigerung vom 19. Februar 2006 war das erste und einzige vertragswidrige Verhalten in mehr als fünf Jahren. Der Ausschluss aus dem Profi-Kader kann als Verzicht des Fussballclubs auf die Dienste des Spielers angesehen werden. Weil der Ausschluss unwiderruflich erfolgte, ist dieser mit einer fristlosen Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis gleichzusetzen. Denn das Arbeitsverhältnis sah den Einsatz von Barea im Profikader des Vereins vor. Die einmalige Weigerung des Spielers, die Anweisung des Trainers zu befolgen, stellt jedoch keinen wichtigen Grund im Sinne von Art. 337 OR dar, die eine solche fristlose Kündigung durch den Verein gerechtfertigt hätte. Dies erkannte wohl auch der Verein, welcher den Spieler in der Folge nicht fristlos aus dem Arbeitsverhältnis entliess, sondern Barea nur noch Trainings mit der Amateur-Mannschaft erlaubte.
Zwar bestimmt Art. 324 Abs. 1 OR, dass in Fällen, in denen der Arbeitgeber auf die Arbeitsleistungen seines Arbeitnehmers verzichtet, er dem Arbeitnehmer trotzdem den Lohn entrichten muss. Jedoch kann der Arbeitnehmer ein legitimes Interesse daran haben, dass er vom Arbeitgeber gemäss vertraglicher Absprache beschäftigt wird. Denn ein Arbeitnehmer, welcher keine Arbeitsleistungen mehr erbringt bzw. vorweisen kann, läuft Gefahr, seinen „Wert“ auf dem Arbeitsmarkt zu verringern und allenfalls gar in Vergessenheit zu geraten.
Ein Grossteil der Rechtslehre anerkennt bereits ein legitimes Interesse des Arbeitnehmers, gemäss vertraglicher Abrede beschäftigt zu werden. Dies gilt insbesondere für Künstler, Sportler und Chirurgen. Das Bundesgericht folgt nun dieser Rechtslehre und gesteht den Berufsfussballern das Recht zu, von den Fussballvereinen entsprechend der vertraglichen Abmachung beschäftigt zu werden. Im Falle von Barea bedeutete die Verbannung aus dem Profi-Kader, dass er ohne Spieleinsätze für das Profi-Team sein Leistungsniveau nicht hätte halten können und unweigerlich an Marktwert verloren hätte. Die Verbannung aus dem Profi-Team stellte deshalb eine unverhältnismässig harte Sanktion dar für die erstmalige Weigerung, Spielanweisung des Trainers zu befolgen. Damit lag aus Sicht des Bundesgerichts ein wichtiger Grund vor, der die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses für den Spieler unzumutbar machte. Die fristlose Kündigung durch Barea war deshalb rechtmässig.
Das Bundesgericht hatte darüber hinaus zu prüfen, ob eine Persönlichkeitsverletzung vorlag, welche die Zusprechung einer Genugtuungsentschädigung rechtfertigen würde. Nach Art. 328 OR hat der Arbeitgeber die Persönlichkeit seines Arbeitnehmers zu achten und zu schützen, auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Bei einer widerrechtlichen Verletzung der Persönlichkeit durch den Arbeitgeber hat der Arbeitnehmer dann Anspruch auf eine Genugtuungsentschädigung, wenn die Persönlichkeitsverletzung besonders schwer wiegt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist (Art. 49 OR). Das Bundesgericht beurteilte die Bezeichnung des Spielers in der Presse als „Idioten“ und „Verräter“ durch den Trainer als nicht gerechtfertigte Persönlichkeitsverletzung. Der Fussballclub haftet für das Verhalten seiner Trainer, Betreuer und weiteren Funktionäre. Zusammen mit der Strafversetzung waren die öffentlichen Verbalattacken gegenüber dem Spieler als besonders schwere Persönlichkeitsverletzung anzusehen. Diese war insgesamt geeignet, Barea starken seelischen Schmerz zuzufügen. Weil der Fussballclub die Persönlichkeitsverletzung nicht anders wiedergutgemacht hatte, war die Zusprechung einer Genugtuungssumme für den von Barea erlittenen seelischen Schmerz gerechtfertigt.
Sportvereine und Sportverbände müssen also bei der Sanktionierung von Athleten stets darauf achten, dass diese in einem angemessenen Verhältnis zum Fehlverhalten des Athleten steht. Zudem ist ein Fehlverhalten eines Athleten nie isoliert als einzige Episode zu betrachten, sondern stets im Gesamtkontext mit dem Verhalten des Athleten während der ganzen Dauer der Zusammenarbeit zu sehen, um die Schwere eines Fehlverhaltens zu beurteilen.
Weitere Informationen:
- Urteil des Bundesgerichts vom 28. April 2011 (4A_53/2011)
- Beiträge zum Sportrecht in der Rubrik «Sport & Sponsoring»
Ansprechpartner: Giuseppe Di Marco