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Generalversammlung: Einberufung und Traktandierung
Einberufung und Traktandierung
Die Generalversammlung einer Aktiengesellschaft wird vom Verwaltungsrat einberufen. Die Einberufung kann aber auch von einem oder mehreren Aktionären, die zusammen mindestens 10% des Aktienkapitals vertreten, verlangt werden. Zudem können Aktionäre, die Aktien im Nennwert von CHF 1 Mio. halten, die Traktandierung bestimmter Themen an der GV verlangen (Art. 699 Abs. 3 OR).
Nach dem Gesetzeswortlaut stünde das Traktandierungsrecht nur Aktionären zu, die Aktien im Nennwert von CHF 1 Mio. halten. Aktionäre, die zwar über 10% des Aktienkapitals verfügen, die aber die Nennwertschwelle von CHF 1 Mio. nicht erreichen, hätten demnach bloss das Recht, eine GV einberufen zu lassen, nicht aber das Recht, bestimmte Themen traktandieren zu lassen.
Gesetzestext beruht auf einem Versehen
In der juristischen Literatur wird nahezu einhellig die Meinung vertreten, dass die Formulierung des Gesetzestexts auf einem Versehen beruhe. Richtigerweise gehe das Traktandierungsrecht mit dem Einberufungsrecht einher und komme daher auch jenen Aktionären zu, die über Aktien verfügen, die zwar keinen Nennwert von CHF 1 Mio. aufweisen, aber doch 10% des Aktienkapitals ausmachen. Denn sonst wäre ein Traktandierungsrecht in allen Aktiengesellschaften mit weniger als CHF 1 Mio. Aktienkapital gar nicht denkbar.
Bundesgericht präzisiert das Traktandierungsrecht
Das Bundesgericht hat nun zum ersten Mal explizit zu dieser Frage Stellung genommen. Es hat die soeben dargestellte herrschende Meinung bestätigt und festgehalten, dass entgegen dem Gesetzwortlaut denjenigen Aktionären ein Traktandierungsrecht zusteht, die über 10% des Aktienkapitals oder über Aktien im Nennwert von CHF 1 Mio. verfügen.
Mit dem Urteil hat der von Meyerlustenberger Lachenal vertretene Aktionär erfolgreich sein Einberufungs- und Traktandierungsrecht gegen den Verwaltungsrat der Gesellschaft durchgesetzt, welcher sich bis anhin standhaft geweigert hatte, eine GV einzuberufen.
Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts vom 27. November 2015, 4A_296/2015