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Im Oktober 2019 legte der Bundesrat als Antwort auf eine Forderung des Parlaments einen Entwurf für eine Teilrevision des Obligationenrechts betreffend Baumängel vor, der hauptsächlich darauf abzielte, einerseits die Frist für die Anzeige von Baumängeln auf 60 Tage festzulegen und andererseits die Möglichkeiten für Bauunternehmer zu beschränken, das Recht des Bauherrn auf Behebung eines Baumangels im Zusammenhang mit einem Verkauf einer Immobilie ab Plan auszuschliessen.
Einführung
Zur Erinnerung: Das Gesetz sieht keine bestimmte Frist vor, innerhalb derer die Mängelanzeige erfolgen muss, und die Richter des Bundesgerichts ziehen es vor, diese Frage von Fall zu Fall je nach den Umständen zu entscheiden. Die Tendenz geht jedoch dahin, sich an eine Frist von sieben Tagen zu halten.
Um mit dem Revisionsentwurf zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nahm der Bundesrat auch eine Klärung des Begriffs der hinreichenden Sicherheiten auf, die zur Vermeidung der Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts vom Grundstückeigentümer zu erbringen sind (Art. 839 Abs. 3 ZGB). Vor der Veröffentlichung des Revisionsentwurfs hatte die bundesgerichtliche Rechtsprechung die Frage nicht entschieden, was genau die gesetzlich geforderten hinreichenden Sicherheiten sind. Im Hinblick auf den Revisionsentwurf waren die Richter von Mon-Repos der Ansicht, dass die Sicherheiten nicht nur den Forderungsbetrag, sondern auch die Zinsen über einen Zeitraum von zehn Jahren abdecken müssen.
Diese Änderungsvorschläge waren Gegenstand einer Botschaft an das Parlament (22.066), nachdem die Vernehmlassung abgeschlossen war.
Dieser Artikel soll die Entwicklungen seit unseren beiden Veröffentlichungen zu dieser punktuellen Änderung des Obligationenrechts1,2 darstellen, da der Nationalrat am 25. September 2023 über den von seinem eigenen Rechtsausschuss vorgelegten Entwurf beriet und abstimmte. Derzeit ist der Entwurf beim Ständerat anhängig, der sich noch nicht geäussert hat.
Debatte und Abstimmung im Nationalrat
Der Rechtsausschuss des Nationalrates war der Ansicht, dass der Bundesrat mit seinem Entwurf nicht weit genug ging und formulierte seine eigenen Gesetzesänderungen.
So schlug der Rechtsausschuss vor, die Verjährungsfrist für die Mängelanzeige abzuschaffen, so dass jede Mängelanzeige, die innerhalb der Gewährleistungsfrist erfolgt, als gültig angesehen werden sollte und nicht als verspätet eingestuft werden kann. Um jedoch den Bauherrn oder Käufer zu veranlassen, den Mangel möglichst schnell zu melden, schlug der Ausschuss die Einführung des Prinzips der Schadensminderungspflicht vor. Da das Gesetz eine unverzügliche Mängelanzeige verlangt, die von der Rechtsprechung mit einer Frist von etwa sieben Tagen eingehalten werden muss, findet dieses Prinzip in diesem Sinne bis heute keine Anwendung. Beide Parteien sind jedoch nach diesem allgemeinen Grundsatz heute schon verpflichtet, sich um die Reduktion ihres jeweiligen Schadens zu bemühen. Gemäss der vom Nationalratsausschuss empfohlenen Lösung müsste der Käufer bzw. der Bauherr für den Schaden haften, der durch eine sofortige Benachrichtigung hätte vermieden werden können.
Darüber hinaus schlug der Ausschuss vor, die Verjährungsfrist für Mängelansprüche beim Erwerb von Immobilien von fünf auf zehn Jahre zu erhöhen und dies für alle Mängel, die sich aus Arbeiten ergeben, die im Rahmen einer Baustelle durchgeführt werden, also auch aus der Planung von Architekten oder Ingenieuren.
In Bezug auf das Recht zur Mängelbehebung wollte der Ausschuss ein Verbot von Klauseln einführen, die Mängelrechte des Verkäufers in Immobilienkaufverträgen ausschliessen, unabhängig davon, ob es sich um ein Gebäude oder eine Immobilienentwicklung handelt.
Schliesslich schlug der Ausschuss in Bezug auf den Aspekt des Pfandrechts der Handwerker und Unternehmer vor, den Zeitraum, der durch Verzugszinsen abgedeckt werden muss, wenn der Bauherr Sicherheiten stellt, von zehn auf fünf Jahre zu verkürzen, um die Eintragung eines solchen Pfandrechts zu vermeiden.
Nach der Debatte stimmte der Nationalrat wie folgt ab:
- Die Verjährungsfrist für Mängelanzeigen ist sowohl gegenüber dem Verkäufer als auch gegenüber dem Bauunternehmer aufgehoben, aber der Käufer bzw. der Bauherr ist verpflichtet, den Schaden durch eine schnelle Mängelanzeige zu mindern (nArt. 201 Abs. 4; 219a Abs. 1; nArt. 370 Abs. 4 OR).
- Der Anspruch auf Gewährleistung für Mängel an einem Immobilienobjekt verjährt gegenüber dem Verkäufer zehn Jahre nach der Eigentumsübertragung (nArt. 219a Abs. 3 OR) und gegenüber dem Unternehmer nach der Abnahme des Werkes (nArt. 371 Abs. 1, 2 OR).
- Klauseln, die das Recht auf Mängelbehebung des Werks ausschliessen, sind verboten, wenn der Mangel ein Bauwerk und/oder eine Immobilie betrifft, unabhängig von der späteren Nutzung dieser Immobilie (nArt. 368 Abs. 2bis; Art. 370 Abs. 4 OR).
- Eine hinreichende Sicherheit, um die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts zu verhindern, muss Verzugszinsen über einen Zeitraum von fünf Jahren decken (nArt. 839 Abs. 3 CC).
Die Abstimmung über die Gesamtheit der Vorschläge ist überwiegend positiv ausgefallen, mit 185 Stimmen dafür, 5 dagegen, mit 0 Enthaltungen.
Der Entwurf der Teilrevision liegt nun dem Rechtsausschuss des Ständerats zur Beratung vor, aber es wurde noch keine Pressemitteilung über eine Abstimmung im Ausschuss veröffentlicht. Das Thema könnte daher frühestens in der Frühjahrssitzung des Ständerats zwischen dem 26. Februar und 15. März 2024 behandelt werden. Angesichts des vom Nationalrat eingeführten Paradigmenwechsels in Bezug auf die Fristen für die Anzeige von Baumängeln ist zu erwarten, dass die parlamentarische Debatte lebhaft sein wird und nicht sofort Einigkeit zwischen den Abgeordneten und auch zwischen den beiden Kammern erzielt werden kann.
Schlussfolgerung
Es ist nicht neu, dass das Bundesgericht laufende Gesetzesänderungen de lege ferenda berücksichtigt. In Bezug auf die hinreichenden Sicherheiten, die zu stellen sind, um die Eintragung eines gesetzlichen Pfandrechts für Handwerker und Unternehmer zu vermeiden, haben die Bundesrichter bereits entschieden, dass der Betrag der Sicherheiten die Summe der Zinsen über zehn Jahre zusätzlich zum Kapital umfassen muss, um als hinreichend zu gelten, und haben auf die laufende Gesetzesänderung verwiesen3.
Am 25. September 2023 beschloss der Nationalrat, diesen Zeitraum auf nur fünf Jahre zu verkürzen, was zeigt, dass laufende Gesetzesänderungen nicht in Stein gemeisselt sind. Es wäre interessant zu sehen, ob die Bundesrichter nunmehr Sicherheiten, die die Verzugszinsen von fünf Jahren abdecken, als hinreichend anerkennen würden und ob Eigentümer verlangen könnten, dass die bereits gestellten Sicherheiten im Laufe des Rechtsstreits reduziert werden können.
Schliesslich liegt der Kern dieser punktuellen Revision sicherlich auf der Ebene der Mängelrechte des Käufers bzw. des Bauherrn. In diesem Zusammenhang wird die Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu verfolgen sein, um zu sehen, ob die Bundesrichter in ihrer Analyse zur Verspätung von Mängelanzeigen die Tatsache einbeziehen werden, dass der Nationalrat die Verwirkung der Mängelrechte abschaffen will, während der Bundesrat die Anzeige von Baumängeln auf 60 Tage anstelle der sieben bis zehn Tage gemäss Rechtsprechung erhöhen will.
1 Johner/Pillonel, Révision partielle du Code civil et du Code des obligations (défauts de construction), MLL News Portal, 20. Januar 2021 (https://www.mll-news.com/revision-partielle-du-code-civil-et-du-code-des-obligations-defauts-de-construction-2/?lang=fr).
2 Johner/Pillonel, Révision partielle du Code civil et du Code des obligations (défauts de construction), MLL News Portal, 24. Januar 2023 (https://www.mll-news.com/revision-partielle-du-code-civil-code-des-obligations-defauts-de-construction-defaut-construction/?lang=fr).
3 Urteil des Bundesgerichts 5A_323/2022 vom 27. Oktober 2022, Erw. 3.3.3 und 3.4.