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Zum 1. Januar 2025 treten in der Schweiz die Änderungen der Eigenmittelverordnung (SR 952.03; ERV) für Banken sowie die überarbeiteten Richtlinien der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) in Kraft1. Die Anpassungen zielen darauf ab, die Stabilität des Bankensektors zu stärken und die Risiken im Hypothekarmarkt transparenter zu kontrollieren. Gleichzeitig setzen sie die Basel-III-Standards um, die als internationale Reaktion auf die Finanzkrise 2008/2009 entwickelt wurden. Damit gehen veränderte Kapitalanforderungen für die Ausgabe von Hypotheken einher.
Konzeption
Die finalen Basel-III-Standards sollen die Berechnung der risikogewichteten Aktiva (RWA)2 international vergleichbarer machen und die Nutzung bankeninterner Modelle bei der Risikobewertung einschränken. Damit soll sichergestellt werden, dass alle Banken ihre Risiken nach einheitlichen Kriterien bewerten. Zusätzlich soll die Risikosensitivität der Standardansätze gesteigert werden: Geschäftsfelder mit höheren Risiken sollen mehr Eigenkapital benötigen, während weniger riskante Bereiche mit einer geringeren Eigenkapitaldeckung auskommen sollen. Die ERV legt sodann für die Schweiz fest, wie viel Eigenkapital die Banken konkret vorhalten müssen, um Kredite abzusichern.
Der Basler Mindeststandard unterscheidet zwischen sog. präferentiellen und nicht-präferentiellen Risikogewichten. Erfüllt eine Bank die SBVg-Richtlinien (sowie gewisse weitere Voraussetzungen), kommen präferentielle (risikosensitive) Risikogewichte zur Anwendung;3 andernfalls gelten die erhöhten nicht-präferentiellen Risikogewichte.4
Neue Risikoklassen
Die geänderte ERV führt neue Kategorien für Hypothekarkredite (sog. Positionsklassen) ein und passt die Risikogewichtungen an. Dies wirkt sich direkt auf die Höhe des Eigenkapitals aus, das Banken als Sicherheit für diese Kredite hinterlegen müssen.5
Während die aktuelle ERV bei den RWA lediglich zwischen Wohn- und übrigen Liegenschaften unterscheidet,6 müssen Banken unter der geänderten ERV künftig differenzieren, ob ein Hypothekarkredit für selbstgenutzte Wohnliegenschaften, gemeinnützige Wohnliegenschaften, Wohnrenditeliegenschaften (übrige Wohnliegenschaften), selbst genutzte Gewerbeliegenschaften oder Gewerberenditeliegenschaften (übrige Gewerbeliegenschaften) vergeben wird.7 Überdies werden Kredite für Liegenschaften im Bau – ausser bei selbstbewohnten Liegenschaften – zukünftig höher gewichtet als jene für fertiggestellte Objekte.8
Konkrete Änderungen bei Risikogewichtungen
Bei selbstbewohnten Liegenschaften und selbstgenutzten Gewerbeliegenschaften reduziert die geänderte ERV die Risikogewichte tendenziell. Nur bei einer Belehnung von 100 % bei selbstbewohnten Liegenschaften greifen höhere Risikogewichte.
Anders sieht es bei den Renditeliegenschaften aus:
- Bei Wohnrenditeliegenschaften wird zwar die Risikogewichtung von Finanzierungen mit einer geringen Belehnung (unter 60 %) leicht reduziert (von 35 % auf 30 %). Belehnungen von über 60 % werden aber deutlich stärker gewichtet (z.B. Gewichtung von 55 % ab 60 % Belehnung; Gewichtung von 110 % ab 100 % Belehnung).9 Die nicht-präferentiellen Risikogewichte werden von bisher 100 % auf 150 % erhöht.10
- Bei Gewerberenditeliegenschaften lag der Standardansatz bisher durchgehend bei 100 %. Neu findet auch hier eine Gewichtung statt.11 Liegenschaften mit einem Belehnungsgrad von unter 60 % werden lediglich zu 70 %, jene mit einem Belehnungsgrad von über 80 % werden dagegen mit 115 % gewichtet. Zwischen 60 % und 80 % Belehnung bleibt die Risikogewichtung bei 100 %. Analog den Wohnrenditeliegenschaften werden für sämtliche Belehnungshöhen die nicht-präferenziellen Risikogewichtungen von 100 % auf 150 % erhöht.12
- Um den höheren Risiken von Krediten im Zusammenhang mit Liegenschaften im Bau Rechnung zu tragen,13 wird bei Baukrediten und Liegenschaften im Bau neu eine höhere Risikogewichtung von 150 % vorgesehen. Einzig für die präferentielle Gewichtung bei Wohnrenditeliegenschaften mit einer Belehnung von unter 70 % wird eine Risikogewichtung von 100 % angewendet.14
Zusammengefasst gelten ab 2025 zwar für selbstgenutzte Wohn- und Gewerbeliegenschaften niedrigere Eigenmittelanforderungen; insbesondere höher belehnte Wohn- und Gewerberenditeliegenschaften und Kredite für Bauland bzw. Baukredite erhalten aber wesentlich höhere Risikogewichte. Entsprechend müssen Banken für die Finanzierung solcher Hypotheken mehr Eigenkapital hinterlegen.
Mögliche Konsequenzen für den Hypothekarmarkt
Die neuen Risikogewichtung je nach Belehnungshöhe, Objektart und Nutzung könnte die Kreditpolitik vieler Banken verändern und bei einigen Banken zu einer Neuausrichtung des Kreditportfolios führen. Denn weil die Banken für Kredite mit hohem Belehnungsgrad zukünftig mehr Eigenkapital hinterlegen müssen, wird die Finanzierung solcher Objekte teurer und damit für die Banken ohne Margenanpassung weniger attraktiv (Eigenkapitalrendite sinkt). Umgekehrt wird die Finanzierung anderer Objekte – insbesondere jener mit neu tieferen Risikogewichten – im Verhältnis attraktiver (Eigenkapitalrendite steigt). Für Banken werden dadurch Anreize geschaffen, die Margen bei risikoreichen Krediten zu erhöhen bzw. deren Volumen zu reduzieren.
Für Kreditnehmer mit geringem Eigenkapital bzw. für Investoren in Renditeliegenschaften könnte dies bedeuten, dass die Finanzierungskosten steigen werden. Ebenfalls könnten die strengeren Eigenkapitalanforderungen und Risikogewichtungen dazu führen, dass die Banken selektiver bei der Kreditvergabe werden. Dies könnte sich etwa in strengeren Tragbarkeits- und Bonitätsanforderungen für die Investoren ausdrücken und insbesondere Erstkäufer und weniger kapitalkräftige Investoren betreffen.
Gleiches gilt bei der Finanzierung von Bauprojekten. Damit die Banken dieselbe Rentabilität erreichen können, müssten sie die Kreditmarge deutlich erhöhen. Konsequenterweise könnte die Attraktivität der Realisierung von Bauprojekten dadurch leicht sinken.
Summa summarum führt die Umsetzung der finalen Basel-III-Standards bzw. die geänderte ERV dazu, dass die Ausgabe von Krediten mit einem hohen Belehnungsgrad für Banken weniger attraktiv wird. Dies könnte zu höheren Finanzierungskosten und einem erschwerten Zugang zu solchen Krediten mit hohem Belehnungsgrad führen. Die Finanzierung von (hoch belehnten) Renditeliegenschaften könnte daher in Zukunft teurer werden und Investoren in solche Objekte vor Herausforderungen stellen. Ob die Reformen langfristig zu einer spürbaren Reduktion der Kreditvergabe in diesen Bereichen führen werden, bleibt abzuwarten. Kurz- und mittelfristig dürften die positiven Effekte der sinkenden Hypothekarzinsen als Folge der Leitzinssenkungen überwiegen.
Kreditvergabe in diesen Bereichen führen werden, bleibt abzuwarten. Kurz- und mittelfristig dürften die positiven Effekte
1 Siehe auch unseren Artikel, Wolfgang Müller und Nadja Lewandowksi, Basel-III-Reformen und ihre Auswirkungen auf das Hypothekargeschäft, in: IMMO’25 Magazin, S. 28, 2. Dezember 2024.
2 Risikogewichtete Aktiven (Risk-weighted assets) sind Aktiva einer Bank, die nach ihrem Risiko bewertet und gewichtet werden. Je höher die Gesamtsumme der RWA, desto mehr Eigenkapital muss eine Bank halten.
3Vgl. Art. 72c Abs. 1 bis 3 Verordnung über die Eigenmittel und Risikoverteilung der Banken und Wertpapierhäuser, Änderungen vom 29. November 2023, Inkrafttreten per 1. Januar 2025 (E-ERV).
4 Vgl. Art. 72c Abs. 5; Er/Maglaras, Basel III – Implikationen auf das Hypothekargeschäft, avobis-Bericht vom 4. September 2024, S. 5; Erläuterungen des Eidgenössischen Finanzdepartements zur Änderung der Eigenmittelverordnung (Nationale Umsetzung der abgeschlossenen Basel-III-Reformen) vom 29. November 2023 (Erläuterungen zum E-ERV), S. 17 und 58 m.w.H.
5 Die jeweiligen Positionsklassen und (präferentiellen) Risikogewichte können Anhang 3 des E-ERV entnommen werden.
6 Vgl. Art. 72 ERV.
7 Erläuterungen zum E-ERV, S. 16 f.; vgl. Art. 72 E-ERV.
8 Art. 72e E-ERV.
9 Vgl. Ziff. 3.1 Anhang 3 zum E-ERV.
10 Art. 72c Abs. 5 lit. b E-ERV.
11Vgl. Ziff. 3.4 Anhang 3 zum E-ERV.
12Art. 72c Abs. 5 lit. b E-ERV.
13 Erläuterungen zum E-ERV, S. 17.
14 Art. 72e Abs. 3 E-ERV.