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Dieser Beitrag beleuchtet die Rechte von Stockwerkeigentümern, die mit Baumängeln konfrontiert sind, welche einen gemeinsamen Teil des Gebäudes betreffen. Es wird insbesondere der Fall von Neubauten behandelt, die auf der Grundlage von Verkäufen nach Plan vermarktet werden.
Der Verkauf nach Plan unterscheidet sich vom Verkauf mit Grundstücksanteil, bei dem der Käufer einen bestimmten Anteil am gesamten Bauwerk, d.h. einen Miteigentumsanteil, ausgedrückt in Tausendsteln des Grundstücks, erwirbt und ab der Unterzeichnung des Kaufvertrags Stockwerkeigentümer dieses Anteils wird. Darüber hinaus schliesst er einen Vertrag mit dem Bauunternehmer ab und hat daher direkte Rechtsansprüche gegen das Unternehmen.
Im Gegensatz dazu wird der Käufer bei einem Verkauf nach Plan im Rahmen eines gemischten Grundstückkauf- und Werkvertrags während der Bauphase nicht Stockwerkeigentümer der Immobilie und trägt auch nicht die damit verbundenen Risiken. Er ist daher nicht berechtigt, bei den Unternehmen, die für das Bauprojekt verantwortlich sind, einzugreifen.
Diese letzte Konfiguration bringt mehrere Schwierigkeiten mit sich, die man beachten sollte, bevor irgendwelche Schritte unternommen werden, um einen Mangel zu beheben, der in den gemeinschaftlichen Teilen des Gebäudes oder Grundstückes festgestellt wurde.
Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass die Regeln des Immobilienkaufvertrags anzuwenden sind, da die Mängel die gemeinsamen Teile des Gebäudes und nicht die privaten Teile betreffen. Dem ist jedoch nicht so. Die Besonderheit besteht darin, dass die Gewährleistung für Mängel in gemischten Verträgen der Gesetzgebung über Werkverträge unterliegt1.
In seinem Urteil vom 20. Dezember 20222 hatte das Bundesgericht die Gelegenheit, sich erneut zu diesem Thema zu äussern und seine Rechtsprechung in diesem Bereich zu präzisieren, die für schlecht informierte bzw. beratene Stockwerkeigentümer verheerende Auswirkungen haben kann.
Nach einem kurzen Überblick über die bestehenden gesetzlichen Mängelrechte erörtert dieser Beitrag die Ausübung des Rechts der Stockwerkeigentümer auf Reparatur bei Mängeln in den gemeinsamen Teilen des Gebäudes. Schliesslich wird eine kurze Bestandsaufnahme der vom Bundesrat vorgeschlagenen neuen gesetzlichen Regelungen zu Baumängeln vorgenommen.
Gesetzlicher Rahmen der Mängelrechte, die den Stockwerkeigentümern zur Verfügung stehen
Zunächst sei daran erinnert, dass jeder Stockwerkeigentümer individuelle Rechte an den gemeinschaftlichen Teilen hat und daher berechtigt ist, allein zu klagen, um Mängel an diesen Teilen zu beanstanden.
Das Schweizer Recht sieht vier verschiedene Mängelrechte vor. Die ersten drei sind alternativ und stehen zur Auswahl des Käufers, während die vierte kumulativ zu den anderen besteht:
- Behebung von Mängeln: Gemäss den Regeln des Stockwerkeigentums verfügt jeder Stockwerkeigentümer über individuelle Rechte an den gemeinschaftlichen Teilen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesgericht kürzlich entschieden, dass die Instandsetzung eines gemeinschaftlichen Teils nicht mehr von der Wertquote jedes einzelnen Stockwerkeigentümers abhängt, sondern ein unteilbares Recht ist, das von jedem Stockwerkeigentümer individuell in seiner Gesamtheit ausgeübt werden kann3 . Mit anderen Worten: Der Stockwerkeigentümer, der beschliesst, die Behebung des Mangels zu beantragen, muss nicht mehr für die Kosten aufkommen, die seine eigene Wertquote übersteigen. Bei Nichterfüllung bzw. unbefriedigender Mängelbeseitigung kann er entweder die Durchführung der Arbeiten durch ein Drittunternehmen verlangen oder von der Ausübung des Mängelbehebungsrechts zurücktreten und sich somit wieder in die Situation versetzen, in der er sich zuvor befand. Aufgrund des unteilbaren Rechts auf Instandsetzung sind auch Forderungen, die aus der Erfüllung durch einen Dritten resultieren, unteilbar. Es ist daher möglich, dass mehrere Stockwerkeigentümer gemeinsam als Streitgenossen handeln.
- Minderung des Kaufpreises: Im Gegensatz zum im vorherigen Abschnitt beschriebenen Recht ist dieser Anspruch teilbar, sodass jeder Stockwerkeigentümer die Minderung des für seinen eigenen Anteil am Stockwerkeigentum gezahlten Preises verlangen kann, entsprechend dem Wertverlust, der durch den defekten gemeinschaftlichen Teil an seinem Anteil verursacht wurde. In diesem Zusammenhang stimmt die Rechtslehre darin überein, dass die in diesem Bereich anwendbaren richterlichen Vermutungen, insbesondere dass der Wertverlust den Reparaturkosten entspricht, schwer anwendbar sind, wenn ein Mangel an einem gemeinschaftlichen Teil vorliegt.4 Sie betrachtet es daher als unzulässig, dass ein Stockwerkeigentümer sein Recht auf Preisminderung für seinen Anteil ausübt, wenn die Kosten für die Instandsetzung des gemeinschaftlichen Teils den Gesamtpreis seines Anteils am Stockwerkeigentum übersteigen5.
- Vertragsauflösung: Dieses Mängelrecht ermöglicht es dem Stockwerkeigentümer, seinen Vertrag aufzulösen und seinen Stockwerkeigentumsanteil zurückzugeben. Die Ausübung dieses Rechts stellt keine Koordinationsschwierigkeiten mit der möglichen Nutzung anderer Mängelrechte durch andere Stockwerkeigentümer dar. Tatsächlich hat die Auflösung des Vertrags keine Auswirkungen auf die anderen Stockwerkeigentümer.
- Schadenersatz für erlittene Schäden: Genauso wie die Vertragsauflösung stellt auch dieses Mängelrecht, kumulative zu den ersten drei Rechten, keine besonderen Anwendungsprobleme im Fall eines Mangels an einem gemeinschaftlichen Teil dar.
Ausschluss der Verkäufergewährleistung und Übertragung der Gewährleistungen gegenüber den Unternehmen auf die Stockwerkeigentümer
Üblicherweise enthalten Verträge über den Erwerb eines Anteils an einer Stockwerkeigentumswohnung eine Klausel, die die Gewährleistungspflicht des Verkäufers einschränkt, sowie eine Klausel, die die Ansprüche des Verkäufers gegen die am Bau des Gebäudes beteiligten Bauunternehmer auf den Käufer überträgt.
In diesem Zusammenhang hat das Bundesgericht anerkannt, dass das Vorhandensein einer Haftungsausschlussklausel des Verkäufers im Kaufvertrag die Klagebefugnis der Erwerber gegenüber dem Verkäufer aufhebt. Mit anderen Worten, wenn solche Klauseln in ihren Verträgen enthalten sind können Stockwerkeigentümer, sich nicht erfolgreich gegen den Verkäufer wenden, um ihre Rechte wegen Mängel an den gemeinschaftlichen Teilen geltend zu machen. Die Gewährleistung des Verkäufers ist daher mehr oder weniger auf die Qualität des Grundstücks oder sogar auf die Grundbesitzverhältnisse des Grundstücks beschränkt.
Der Hauptnachteil dieser Haftungsausschlussklausel ist, dass die Stockwerkeigentümer gezwungen sind, das oder die für den festgestellten Mangel verantwortlichen Unternehmen zu identifizieren, bevor sie ihre Mängelrechte geltend machen können. Zudem müssen sie gegebenenfalls die Insolvenz oder die Unfähigkeit des oder der verantwortlichen Unternehmer, den Mangel zu beheben, tragen.
Diese Herausforderungen stellen zwangsläufig Hindernisse dar, die Stockwerkeigentümer davon abhalten können, die Behebung eines Mangels an einem gemeinschaftlichen Teil zu beantragen und somit das Gebäude in Stand zu halten.
Die Situation ist hingegen anders, wenn der Kaufvertrag lediglich eine Klausel zur Abtretung der Mängelrechte enthält, unter Ausschluss jeder anderen Klausel, die die Gewährleistungspflicht des Verkäufers einschränkt.
Es wurde entschieden, dass eine Übertragung der Mängelrechte ausschliesslich als die Übertragung an die Erwerber verstanden werden muss, die es ihnen ermöglicht, direkt gegen die betroffenen Unternehmer die Mängelrechte des Bauherrn geltend zu machen. Diese Ansprüche gelten damit zusätzlich zu dem Gewährleistungsrecht gegenüber dem Verkäufer.6
In dieser Situation sind die Stockwerkeigentümer verpflichtet, vorrangig das ihnen übertragene Recht zur Mängelbeseitigung gegen die für den Bau tätigen Unternehmen geltend zu machen, wobei festgelegt ist, dass die vom Verkäufer geschuldete Leistung während dieser Zeit ausgesetzt bleibt7. Sie müssen dieser Verpflichtung jedoch nur nachkommen, wenn sie über ausreichende Informationen verfügen, um gegen die betreffenden Unternehmer vorzugehen. Im Übrigen werden nur die Anstrengungen verlangt, die vernünftigerweise von ihnen verlangt werden können, insbesondere müssen die Stockwerkeigentümer nicht den Rechtsweg beschreiten. Da nur das Recht auf Mängelbehebung abgetreten werden kann, hindert nichts die Stockwerkeigentümer daran, gegenüber dem Verkäufer, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, das Recht auf Preisminderung oder Vertragsauflösung geltend zu machen, ohne vorher das abgetretene Recht auf Instandsetzung geltend zu machen8.
Vorgehen von Stockwerkeigentümern bei Mängeln an gemeinschaftlichen Teilen
Unter Berücksichtigung der Entwicklungen in der Rechtsprechung wird in der Literatur vorgeschlagen, wie folgt vorzugehen, wenn der Verkäufer seine Haftung für die Mängelgewährleistung nicht ausgeschlossen hat und den Stockwerkeigentümern das Recht auf Mängelbeseitigung abgetreten wurde9:
- Die Entdeckung von Mängeln dem Verkäufer sowie den betroffenen Unternehmen unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen mitteilen10 , um zu verhindern, dass die Rechte verfallen und die Forderungen aus den Mängelrechten sowohl gegenüber dem Verkäufer als auch gegenüber den Unternehmen verjähren.
- Bestimmen, welches der drei alternativen Mängelrechte (Mängelbehebung, Preisminderung oder Auflösung des Vertrags) ausgeübt werden soll.
- Wenn die Preisminderung oder die Auflösung des Vertrags gewählt wird: direkte Klage gegen den Verkäufer.
- Wenn hingegen die Option der Mängelbehebung gewählt wird: Verpflichtung, zunächst gegen die verantwortlichen Bauunternehmen vorzugehen, sofern die Stockwerkeigentümer über alle Informationen verfügen, die für die Ausübung dieses Mängelrechts erforderlich sind.
- Bei Fehlen der notwendigen Informationen oder schlechter Mängelbehebung: Klage gegen den Verkäufer auf Mängelbehebung.
Das aktuelle System erfordert von den Stockwerkeigentümern besondere Aufmerksamkeit und Wachsamkeit, wenn sie einen Prozess zur Behebung von Mängeln an gemeinschaftlichen Teilen einleiten möchten. Insbesondere ist es unerlässlich, den Kaufvertrag sorgfältig zu lesen, da dieser je nach Käufer unterschiedlich sein kann, insbesondere im Hinblick auf ein gemeinsames Vorgehen.
Gesetzesentwurf zur Änderung des Obligationenrechts in Bezug auf Baumängel
Am 19. August 2020 hat der Bundesrat einen Vorentwurf für eine Teilrevision des Schweizerischen Zivilgesetzbuches und des Obligationenrechts vorgelegt, der sich mit baurechtlichen Aspekten befasst, hauptsächlich mit der Problematik von Baumängeln.11
Um die Situation der Bauherren, insbesondere derjenigen, die ein Haus oder Stockwerkeigentum besitzen, zu verbessern, schlug der Bundesrat unter anderem vor, das Recht auf Mängelbehebung durch einen Vertrag auszuschliessen, wenn das Bauvorhaben für den persönlichen Gebrauch des Bauherrn oder seiner Familie vorgesehen ist. Diese Regel soll sowohl für Werkverträge als auch für Kaufverträge von Immobilien gelten. Der Bundesrat will damit der weit verbreiteten Praxis von Immobilienverkäufern und Generalunternehmern ein Ende setzen, sich vertraglich von der Haftung für Mängel freizustellen, zum Nachteil von Privatpersonen, die ihre Immobilie erwerben.
An seiner Sitzung vom 19. Oktober 2022 hat der Bundesrat die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zur Kenntnis genommen, das am 30. November 2020 abgeschlossen wurde, und die Botschaft an das Parlament verabschiedet. Der Vorentwurf wurde den eidgenössischen Räten zur Beratung vorgelegt. Er wird derzeit von der Kommission des Ständerats geprüft.
Schlussfolgerung
Die jüngsten Urteile unseres Bundesgerichts haben wieder einmal die Unzulänglichkeiten des derzeitigen Rechtssystems aufgezeigt bzw. die Schwierigkeiten in Erinnerung gerufen, denen Bauherren bzw. Erwerber von Stockwerkeigentum bei der praktischen Umsetzung ihrer Rechte zur Mängelbehebung an gemeinschaftlichen Teilen eines Stockwerkeigentums gegenüberstehen.
Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sind daher zu begrüssen, da sie zu einem ausgewogeneren Vertragsverhältnis zwischen Bauherrn und Bauunternehmern bzw. zwischen Käufer und Verkäufer einer Liegenschaft führen.
1 Art. 368 ff. des Obligationenrechts (OR).
2 Bundesgerichtsentscheid 4A_152/2021, vom 20. Dezember 2022.
3 BGE 145 III 8.
4 BGE 136 III 273, Erw. 2.2; Blaise Carron, PPE, défaut des parties communes et cession des droits de garantie: un besoin de réforme législative?, analyse de l’arrêt du Tribunal fédéral 4A_152/2021, Newsletter immodroit.ch février 2023; CARRON BLAISE, Garantie pour les défauts affectant les parties communes d’une PPE – Les leçons à tirer de l’ATF 145 III 8 = RNRF 100 S. 312, RNRF 2020/2 S. 73 ff.
5 Idem.
6 Ibidem.
7 Durch analoge Anwendung von Art. 467 Abs. 2 OR.
8 Urteil des Bundesgerichts 4A_152/2021 vom 20. Dezember 2022, Erw. 5.
9 Blaise Carron, PPE, défaut des parties communes et cession des droits de garantie: un besoin de réforme législative?, analyse de l’arrêt du Tribunal fédéral 4A_152/2021, Newsletter immodroit.ch février 2023.
10 Vgl. Art. 367 Abs. 1 OR.
11 Diese Revision ist Gegenstand von drei vorangegangenen Artikel: (1) Johner/Pillonel, Révision partielle du Code civil et du Code des obligations (défauts de construction), MLL News Portal, 20. Januar 2021 (https://www.mll-news.com/revision-partielle-du-code-civil-et-du-code-des-obligations-defauts-de-construction-2/?lang=fr) ; (2) Johner/Pillonel, Révision partielle du Code civil et du Code des obligations (défauts de construction), MLL News Portal, 24. Januar 2024 (https://www.mll-news.com/revision-partielle-du-code-civil-code-des-obligations-defauts-de-construction-defaut-construction/?lang=fr) ; (3) Johner/Lewandowski, Update 3.0 : Révision partielle du Code civil et du Code des obligations (défauts de construction), MLL News Portal, 15. Januar 2024 (https://www.mll-news.com/update-3-0-revision-partielle-du-code-civil-et-du-code-des-obligations-defauts-de-construction/?lang=fr).