Europa League FC Sion

CAS: Europa League findet definitiv ohne den FC Sion statt


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Mitte Dezember des vergangenen Jahres hat der internationale Sportgerichtshof (CAS) entschieden, dass der FC Sion nicht an der Europa League 2011/12 teilnehmen darf. Die Begründung dieses Urteils wurde vor kurzem veröffentlicht. Der CAS hält darin insbesondere fest, dass der FC Sion in den Europa-League-Qualifikationsspielen gegen Celtic Glasgow nicht spielberechtigte Spieler eingesetzt hatte und deshalb zu Recht mit Forfaitniederlagen bestraft wurde. Auch liege seitens der UEFA kein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor, da die UEFA sachliche Gründe für ihr Vorgehen hatte. Darüber hinaus hebt der CAS das Urteil des Kantonsgerichts Waadt und damit auch die vorsorgliche Massnahme auf, welche die UEFA verpflichtet hatte, den FC Sion in die Europa League einzugliedern. Das Urteil kann noch ans Bundesgericht weitergezogen werden.

Sachverhalt

Zusammengefasst musste der CAS im Verfahren 2011/O/2574 beurteilen, ob die Olympique des Alpes SA bzw. der FC Sion (im Folgenden: FC Sion) von der UEFA zu Recht aus der Europa League ausgeschlossen wurde. Die UEFA hatte die beiden Playoff-Spiele des FC Sion gegen den schottischen Vizemeister Celtic Glasgow jeweils mit Forfait-Niederlagen (jeweils 0:3) gewertet, da Sion in beiden Spielen nicht qualifizierte Spieler eingesetzt hatte. Konsequenterweise wurde daraufhin der schottische Klub und nicht der schweizerische Pokalsieger in die Europa League aufgenommen, obwohl der FC Sion die Playoff-Spiele eigentlich mit einem Gesamtskore von 3:1 für sich entschieden hatte.

Nachdem das Kantonsgericht des Kantons Waadt (Sitz der UEFA) entschieden hatte, dass die fraglichen Spieler spielberechtigt gewesen seien und der FC Sion deshalb als vorsorgliche Massnahme nachträglich in die Europa League einzugliedern sei, gelangte die UEFA an den CAS.

Zuständigkeit und Unabhängigkeit des CAS

Nach einer rund 30 Seiten umfassenden Darstellung des Sachverhalts, der Anträge und aller weiteren im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit stehenden Verfahren befasste sich der CAS mit der Frage, ob er überhaupt zuständig sei, den vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilen. Dabei wies das Gericht darauf hin, dass unbestritten sei, dass Christian Constantin als Präsident und Vertreter des FC Sion das Anmeldeformular für die Europa-League-Saison 2011/2012 unterzeichnet hatte. In diesem werde der CAS als zuständiges Gericht anerkannt. Der CAS sei deshalb zur Beurteilung der Streitsache zuständig. Auch die Rüge des FC Sion, der CAS sei keine unabhängige Instanz, wurde vom Gerichtshof abgewiesen. Das Schweizerische Bundesgericht habe in mehreren früheren Entscheiden bereits festgehalten, dass der CAS die Anforderungen an eine unabhängige Instanz erfülle (vgl. dazu auch BR-News vom 17.06.2010).

Spielberechtigung der Spieler

Als nächstes hatte der CAS festzustellen, ob die Spieler, deren Spielberechtigung bestritten wird, spielberechtigt gewesen waren. Der Gerichtshof überprüfte aus diesem Grund noch einmal die Sperre, die dem FC Sion auferlegt wurde (keine Verpflichtung von neuen Spielern während zwei Transferperioden; Details siehe unten) und es untersuchte, ob diese bereits verbüsst war. Der CAS folgte dabei den Ausführungen der UEFA und stellte fest, dass die Sperre erst nach der Sommer-Transferperiode der Saison 2011/2012 abgelaufen sei. Die in dieser Periode verpflichteten und in den fraglichen Spielen eingesetzten Spieler seien deshalb nicht spielberechtigt gewesen. Die UEFA habe die Forfait-Niederlagen somit zu Recht ausgesprochen und den FC Sion von der weiteren Teilnahme an der Europa League 2011/2012 ausgeschlossen.

UEFA: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung?

Mit der Berufung auf schweizerisches Wettbewerbsrecht versuchte der FC Sion, die Reintegration in die Europa League zu erwirken. Die UEFA habe mit ihren Reglementen und dem Aussprechen der Forfaitniederlagen ihre marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausgenützt und damit gegen Art. 7 Kartellgesetz verstossen. Der FC Sion sah den einzigen Grund für die Forfait-Niederlagen in der Tatsache, dass die Spieler sich an ordentliche Gerichte gewandt hatten, um ihre Spielberechtigung zu erwirken. Nach Ansicht des Walliser Fussball-Clubs lagen keine sachlichen Gründe (sog. „legitimate business reasons“) vor, die das missbräuchliche Vorgehen der UEFA hätten rechtfertigen können.

Der CAS stellte fest, dass die UEFA zwar über eine marktbeherrschende Stellung verfüge. Sie habe sich aber nicht missbräuchlich verhalten habe, da sie sachliche Gründe für die Forfait-Niederlagen und die Nichtaufnahme des FC Sion in die Europa League hatte. Zudem habe die UEFA dem FC Sion nicht verweigert, an der Qualifikation zur Europa League und damit auch an der Gruppenphase derselben teilzunehmen. Der CAS hielt fest, dass die Forfait-Niederlagen nicht ausgesprochen worden wären, wenn der FC Sion nur spielberechtigte Spieler eingesetzt hätte. Die Ungültigerklärung der sportlich erzielten Resultate und damit der Aussschluss des Walliser Klubs sei deshalb dessen eigenem Fehlverhalten (dem Einsatz von nicht spielberechtigten Spielern) zuzuschreiben. Ein Verstoss gegen schweizerisches Wettbewerbsrecht liege nicht vor, zumal sachliche Gründe vorlagen, welche die Handlungen der UEFA rechtfertigen konnten.

Aufhebung der vorsorglichen Massnahme des Kantonsgerichts Waadt

Aus dem Gesagten folgt, dass die vom Kantonsgericht Waadt angeordnete vorsorgliche Massnahme (Wiedereingliederung des FC Sion in die Europa League) mit dem Eintritt der Rechtskraft des CAS-Urteils automatisch ungültig und wirkungslos werden. Eine formelle Aufhebung des Urteils wäre deshalb grundsätzlich nicht nötig gewesen. Der CAS hob die vorsorglichen Massnahmen trotzdem formell auf. Er begründete dies damit, dass auch Drittpersonen vom Entscheid betroffen seien. Die Aufhebung war deshalb möglich, weil das Kantonsgericht in seinem Urteil anerkannte, dass der CAS berechtigt sei, ein Urteil in der Sache selbst zu treffen.

Zusammengefasst entschied der CAS also, dass der FC Sion nicht spielberechtigte Spieler eingesetzt hatte, die UEFA deshalb zu Recht und nicht unter Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung auf Forfait-Niederlagen erkannt hat und dem FC Sion folglich die Teilnahme an der Gruppenphase der Europa League zu Recht verweigert wurde.

Kontext: Der „Fall Sion“

Begonnen hatte der Rechtsstreit im Februar 2008, als der FC Sion den ägyptischen Torhüter Essam El-Hadary verpflichtete, ohne dass dieser von seinem damaligen Klub Al-Ahly Kairo die Freigabe erhielt. Im darauffolgenden Prozess wurde der FC Sion wegen Anstiftung zum Vertragsbruch verurteilt. Neben einer Schadenersatzzahlung wurde dem FC Sion eine Transfersperre für zwei Transferperioden auferlegt. Diese wurde vom CAS (CAS 2009/A/1880; CAS 2009/A/1881) und schliesslich vom Schweizerischen Bundesgericht (4A_392/2010; 4A_294/2010) bestätigt. Nichtsdestotrotz verpflichtete der FC Sion in der vergangenen Sommer-Transferperiode 2011/2012 sechs neue Spieler. Die Swiss Football League verweigerte diesen daraufhin die Spielberechtigung. Gegen diese Nichtqualifikation ergriffen der FC Sion bzw. die Spieler selbst diverse Rechtsmittel, teilweise beim CAS, teilweise bei ordentlichen Gerichten.

Das Urteil des CAS schliesst den „Fall Sion“ keineswegs ab. Es sind noch zahlreiche Verfahren hängig (vgl. auch die Aufstellung im CAS-Urteil, Rz. 131 ff.). Zudem besteht für den FC Sion noch die Möglichkeit, das CAS-Urteil an das Schweizerische Bundesgericht weiterzuziehen. Die Europa-League-Saison 2011/2012 findet aber definitiv ohne den FC Sion statt. Da nicht vor Saisonende mit einem Entscheid des Bundesgerichts zu rechnen ist, könnte dieses bei einem Obsiegen des FC Sions nur noch allfällige Schadenersatzansprüche gegenüber der UEFA auslösen.

Die Fülle an Verfahren und Prozessen macht die causa Sion immer unübersichtlicher. Unter anderem sind noch die Verfahren gegen den Abzug von 36 Meisterschaftspunkten sowie gegen die Wertung der Spiele auf nationaler Ebene, in denen der FC Sion einen oder mehrere der sechs nicht spielberechtigten Spieler eingesetzt hatte, pendent. Es wird noch eine Weile dauern, bis die Akte Sion geschlossen werden kann.

Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass mittlerweile auch der ehemalige Sion-Gegner Celtic Glasgow nicht mehr in der Europa League vertreten ist, allerdings aus sportlichen Gründen. Celtic wurde mit Udinese Calcio, Stade Rennais und Atlético Madrid in die Gruppe I der Europa-League-Gruppenphase eingeteilt und schied als drittplatziertes Team hinter Atlético und Udinese aus.

Update: «Update zum Fall Sion: Niederlage vor Bundesgericht»
Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Giuseppe Di Marco


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