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Fernsehsendeunternehmen können verbieten, dass ihre Sendungen durch ein anderes Unternehmen via Live-Stream im Internet verbreitet werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem vor kurzem veröffentlichten Urteil entschieden. Es spiele dabei auch keine Rolle, ob die Personen, welche die Streaming-Dienstleistung nutzen, grundsätzlich berechtigt wären, die weiterverbreiteten Sendungen über Free-TV legal zu empfangen. Ein Streaming ist gemäss EuGH in der Regel als öffentliche Wiedergabe zu betrachten, für welche grundsätzlich eine Erlaubnis des Urhebers der weiterverbreiteten Werke eingeholt werden muss.
Angebot: Live-Stream von Free-TV-Kanälen
Die TVCatchup Ltd (nachfolgend TVC) bietet über das Internet unter anderem eine so genannte Live-Stream-Dienstleistung an. Diese ermöglicht es den Nutzern, über das Internet Streams von frei zugänglichen Fernsehsendungen (Free-TV) in „Echtzeit“ zu empfangen. Um die Streams ansehen zu können, müssen die Nutzer insbesondere bestätigen, dass sie ihren Wohnsitz im Vereinigten Königreich haben und dass sie im Besitz einer gültigen Fernsehempfangslizenz sind. Der TVC war es möglich, den Standort des Nutzers zu überprüfen und ihm den Zugang zu verweigern, wenn die genannten Bedingungen nicht erfüllt waren. Der Zugang wird somit nur gewährt, wenn die Nutzer die weiterverbreiteten Fernsehprogramme bereits aufgrund ihrer Fernsehempfangslizenz im Vereinigten Königreich rechtmässig sehen dürfen.
Mehrere britische Fernsehsendeunternehmen, die nach nationalem Recht Urheber an den von ihnen produzierten Fernsehsendungen, Filmen etc. sind, gingen gegen das Live-Streaming ihrer Fernsehsendungen im Internet vor und erhoben Klage gegen die TVC. Bei der durch die TVC angebotenen Dienstleistung handle es sich um eine nach nationalem als auch nach EU-Recht verbotene öffentliche Wiedergabe. Das Verfahren landete vor dem britischen High Court of Justice, welcher dem EuGH die Frage vorlegte, ob es sich bei der beschriebenen Dienstleistung um eine öffentliche Wiedergabe handelt, wenn die Nutzer bei Benutzung ihrer eigenen Fernsehgeräte oder Computer zum Empfang der Sendungen berechtigt wären.
Streaming richtet sich an eine grosse Anzahl Personen und ist deshalb eine öffentliche Wiedergabe
Als erstes hatte der EuGH im Verfahren C-607/11 deshalb zu bestimmen, ob das Streaming die Voraussetzungen einer Wiedergabe erfüllt. Er verwies dazu auf die Definition des Begriffs in der EU-Urheberrechtsrichtlinie (2001/29/EG), wonach unter Wiedergabe jegliche drahtgebundene oder drahtlose Übermittlung oder Weiterverbreitung an die Öffentlichkeit verstanden wird, die nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt und bei welcher sich die „Öffentlichkeit“ nicht an dem Ort befindet, an welchem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt. Das Streaming erfülle sämtliche Elemente dieser Definition und falle deshalb unter den Begriff der Wiedergabe. Als solche muss sie vom Urheber der weitergesendeten Werke grundsätzlich einzeln erlaubt werden.
Zweitens hatte der Gerichtshof zu prüfen, ob die urheberrechtlich geschützten Werke bei einem Streaming öffentlich wiedergegeben werden. Er griff dabei auf seine eigene Rechtsprechung zurück, wonach der Begriff der Öffentlichkeit eine unbestimmte Anzahl potenzieller Adressaten umfasse. Von Bedeutung sei dabei insbesondere die Zahl von Personen, die gleichzeitig oder nacheinander Zugang zum selben Werk haben.
Im vorliegenden Fall sei das Angebot an alle Personen gerichtet, die im Vereinigten Königreich ansässig sind und über einen Internetanschluss sowie eine Fernsehempfangslizenz verfügen. Diese Personen könnten im Rahmen des Live-Streamings gleichzeitig Zugang zu den urheberrechtlich geschützten Sendungen haben. Es handle sich deshalb um eine Weiterverbreitung an eine unbestimmte Anzahl potenzieller Adressaten und erfasse eine grosse Zahl von Personen. Es liege aus diesem Grund eine öffentliche Wiedergabe vor.
Zusammengefasst hat der EuGH damit entschieden, dass das Weiterverbreiten einer Sendung mittels Streamings als öffentliche Wiedergabe gilt, die vom Urheber bzw. dem ursprünglichen Sendeunternehmen erlaubt werden muss. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Empfänger grundsätzlich berechtigt wären, die betroffenen Sendungen über Kabel oder Satellit frei zu empfangen.
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung des EuGH vom 7. März 2013
- Urteil C-607/11 des EuGH vom 7. März 2013
- Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft („Urheberrechtsrichtlinie“)
- BR-News: „EuGH: Entschädigung für Kurzberichterstattung über öffentliche Ereignisse bleibt auf Kosten für direkten Signalzugang beschränkt“
- BR-News: „Neuer Urheberrechtsvergütungstarif für Catch-up-TV“
Ansprechpartner: Adrian Süess