Revision der Schweizerischen Zivilprozessordnung per 1. Januar 2025


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Am 1. Januar 2025 tritt eine Teilrevision der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) in Kraft. Die Revision bringt keine fundamentalen Neuerungen; vielmehr soll die bestehende ZPO punktuell angepasst und ihre Praxistauglichkeit verbessert werden. Weitere Ziele der Revision sind der erleichterte Zugang zu den Gerichten, die effizientere Verfahrenskoordination sowie die Stärkung der Schweiz als Standort für internationale Rechtsstreitigkeiten.

Im Folgenden zeigen wir die für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten relevanten Neuerungen auf.

Internationale Handelsgerichtsbarkeit

Derzeit verfügen die Kantone Zürich, Bern, Aargau und St. Gallen über Handelsgerichte. Mit der Revision werden die Grundlagen dafür geschaffen, dass die Kantone das Handelsgericht über die bereits bestehenden Zuständigkeiten hinaus für bestimmte Fälle von internationalen Handelsstreitigkeiten für zuständig erklären können. Vorausgesetzt ist dabei, dass im entsprechenden Kanton eine örtliche Zuständigkeit besteht, was in der Regel mit einer vertraglichen Gerichtsstandsvereinbarung bewirkt werden kann. Weiter ist erforderlich, dass die Streitigkeit die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betrifft, dass der Streitwert mindestens CHF 100’000 beträgt und dass die Parteien der Zuständigkeit des Handelsgerichts zustimmen. In mehreren Kantonen, darunter Zürich und Genf, sind Gesetzgebungsprojekt im Gange, um diese neue Bestimmungen umzusetzen.

Englisch als Verfahrenssprache

Einhergehend mit der Einführung der internationalen Handelsgerichtsbarkeit werden die Vorschriften für die Verfahrenssprache liberalisiert. Derzeit werden Gerichtsverfahren zwingend in der Amtssprache des zuständigen Kantons geführt. Neu können die Kantone vorsehen, dass das Verfahren in einer anderen Landessprache geführt werden kann; in Fällen der vorgenannten internationalen Handelsgerichtsbarkeit auch auf Englisch. Vorausgesetzt ist jedoch stets, dass die Parteien dies beantragen.

Des Weiteren können die Kantone unter dem neuen Recht vorsehen, dass die vor staatlichen Gerichten zur Unterstützung von Schiedsverfahren geführten Hilfsverfahren (wie etwa betreffend die Ernennung von Schiedsrichtern, Mitwirkung bei der Beweisabnahme usw.) auf Antrag der Parteien in englischer Sprache geführt werden, wenn die Schiedsvereinbarung auf Englisch verfasst ist oder das Schiedsverfahren auf Englisch geführt wird.

Gerichtsverhandlung per Video- oder Telefonkonferenz

In der heutigen Zeit sind Videokonferenzen aus der Geschäftswelt nicht mehr wegzudenken. Bisher war es in zivilrechtlichen Verfahren (abgesehen von einer temporären Ausnahme während der Corona-Pandemie) jedoch gesetzlich nicht vorgesehen, dass Gerichtsverhandlungen per Videokonferenz durchgeführt werden können.

Neu können die Gerichte mit dem Einverständnis der Parteien mündliche Verhandlungen und Einvernahmen per Videokonferenz (und ausnahmsweise per Telefonkonferenz) durchführen. Zum einen ist es möglich, dass die Gerichtsverhandlung rein virtuell geführt wird; zum anderen ist auch eine hybride Form möglich, bei der die Gerichtsverhandlung grundsätzlich physisch stattfindet und sich einzelne Teilnehmer (wie etwa Parteivertreter, Zeugen, Gutachter) mittels Bild- und Tonübertragung von aussen zuschalten.

Zu beachten ist aber, dass bei ausländischen Parteien und Zeugen diese neue Regelung nicht vorbehaltlos angewendet werden kann: Die gerichtliche Befragung oder Anhörung einer sich im Ausland aufhaltenden Person stellt grundsätzlich einen Eingriff in die Souveränität des ausländischen Staates dar. Es ist daher erforderlich, dass das Recht des betreffenden Staates eine solche grenzüberschreitende Handlung eines schweizerischen Gerichts überhaupt zulässt. Im umgekehrten Fall, wenn eine sich in der Schweiz aufhaltende Person für ein ausländisches Gerichtsverfahren mittels Video- oder Telefonkonferenz befragt werden soll, ist hierfür eine Genehmigung des Bundesamts für Justiz erforderlich. Diesbezüglich sind jedoch Bestrebungen im Gange, dass unter gewissen Bedingungen von der Genehmigungspflicht abgesehen wird.

Mitwirkungsverweigerungsrecht des internen Rechtsdiensts

Anwältinnen und Anwälte verfügen im Prozess über ein Zeugnisverweigerungsrecht, und Unterlagen, die mit einer Anwältin oder einem Anwalt ausgetauscht wurden, müssen nicht herausgegeben werden. Dies galt bis anhin aber nur, soweit es sich beim betroffenen Anwalt um einen externen Rechtsanwalt handelt. Neu erstreckt sich das Mitwirkungsverweigerungsrecht auch auf die Tätigkeit des internen Unternehmensrechtsdiensts. Vorausgesetzt ist aber unter anderem, dass es sich bei der betreffenden Tätigkeit um eine solche handelt, die bei einem externen Anwalt als berufsspezifisch angesehen würde.

Privatgutachten als Beweismittel

Nach bestehendem Recht kommt einem Gutachten nur dann Beweisqualität zu, wenn es sich um ein gerichtlich angeordnetes Gutachten handelt. In der Praxis kommt es aber oft vor, dass die Parteien selbst ein Gutachten einholen. Ein solches Privatgutachten gilt unter dem bisherigen Recht als blosse Parteibehauptung und stellt kein Beweismittel dar.

Nach der revidierten ZPO werden Privatgutachten zwar nicht den gerichtlich eingeholten Gutachten gleichgestellt. Jedoch werden sie neuerdings als Urkunden eingestuft, womit sie formell als Beweismittel gelten. Als Beweismittel unterliegt das Privatgutachten der freien Beweiswürdigung durch das Gericht. Bei der Beweiswürdigung wird das Gericht unter anderem auch zu berücksichtigten haben, wie der Gutachter zu den Parteien steht, ob er ausreichend fachkundig ist und wie er instruiert wurde.

Klägerfreundlichere Kostenregelung

Das bisherige Recht ist bezüglich der Gerichtskosten nicht sehr klägerfreundlich ausgestaltet: So hat die Klägerin in der Regel die gesamten Gerichtskosten vorzuschiessen. Wird die Klage gutgeheissen, so auferlegt das Gericht zwar die Kosten der beklagten Partei. Jedoch macht sich das Gericht aus dem Kostenvorschuss bezahlt, während die siegreiche Klägerin den Ersatz der Kosten von der Beklagten einzufordern hat. Die Klägerin trägt somit das Inkassorisiko für die Gerichtskosten.

Nach der revidierten ZPO kann das Gericht von der klagenden Partei (von Ausnahmen abgesehen) nur noch maximal die Hälfte der zu erwartenden Gerichtskosten verlangen, was den Zugang zum Gericht erleichtern wird. Zudem behält das Gericht einen Kostenvorschuss nur in dem Umfang ein, in dem die Partei, die den Vorschuss geleistet hat, zur Zahlung der Gerichtskosten verpflichtet wird. Dies bedeutet, dass die siegreiche Klägerin, der keine Kosten auferlegt werden, den Vorschuss zurückerstattet erhält. Demgegenüber hat das Gericht die Kosten von der unterlegenen beklagten Partei, die kostenpflichtig geworden ist, einzufordern.

Vereinfachte Verjährungsunterbrechung

Der Gläubiger kann die Verjährung unter anderem dadurch unterbrechen, dass er gegen den Schuldner die Betreibung einleitet, was kostengünstig und ohne grossen Zeitaufwand möglich ist. Allerdings steht diese Möglichkeit nicht offen, wenn es sich nicht um eine Geldforderung handelt oder wenn der Schuldner in der Schweiz nicht betrieben werden kann, z.B. weil er Sitz oder Wohnsitz im Ausland hat. In einem solchen Fall hat der Gläubiger zur Verjährungsunterbrechung eine gerichtliche Klage einzureichen. Dies kann aufwändig und teuer werden, wenn es sich um ein Verfahren handelt, bei dem die Klage direkt beim Gericht einzureichen ist, ohne dass vorgängig ein (kostengünstiges) Schlichtungsverfahren durchlaufen werden kann, wie dies etwa bei handelsgerichtlichen Verfahren der Fall ist.

Neu ist vorgesehen, dass in gewissen Fällen, in denen nach bisherigem Recht die Klage direkt beim Gericht einzureichen war, zunächst bei der Schlichtungsbehörde ein Schlichtungsgesuch eingereicht werden kann. Damit ist es dem Gläubiger neuerdings möglich, bei Bedarf die Verjährung mit einem einfachen und kostengünstigen Schritt zu unterbrechen.

Weitere Anpassungen

Im Zuge der Revision werden weitere punktuelle Anpassungen der ZPO vorgenommen, welche die ZPO insgesamt anwenderfreundlicher machen und die effiziente Rechtsdurchsetzung verbessern. Nicht Gegenstand der aktuellen Revision sind die Bestimmungen zur Stärkung des kollektiven Rechtsschutzes. Da diese in der Vernehmlassung stark umstritten waren, wurde die entsprechende Vorlage abgespalten; die parlamentarischen Beratungen hierzu sind noch ausstehend.

Ausblick

Die Revision der Zivilprozessordnung erleichtert den Zugang zum Recht, etwa durch die Halbierung des Kostenvorschusses und die die Überwälzung des Inkassorisikos auf den Staat. Die gestärkte Rolle der Handelsgerichte und die Möglichkeit, Verfahren auf Englisch zu führen, heben den Standort Schweiz als bevorzugten Gerichtsstand für internationale Streitigkeiten hervor. Dass die Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung per Videokonferenz ermöglicht werden kann, trägt weiter zur Modernisierung des Zivilprozesses bei. Insgesamt führt die Revision zu einem modernen, praxistauglichen und international konkurrenzfähigen Prozessrecht.


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